NWK#15 NW K # 15

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Oct 25, 2013 - uwe.winkelmann@hs-magdeburg.de ..... Kirstin.neumann@hs-magdbeurg.de ...... stab in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Für die ...... eine Trennung in lokal/regional begrenzte Portale mit eher sachlich-organisatorischen ...... Franks, M.M., Stephens, M.A.P., Rook, K.S., Franklin, B.A., Keteyian, S.J. &.
NWK#15 Studieren im Grünen

Tagungsband

15. Nachwuchswissenschaftlerkonferenz ost- und mitteldeutscher Fachhochschulen 24. April 2014, Magdeburg

www.nwk-15.de

Prof. Dr. Jan Mugele, Prof. Dr. Gabriele Helga Franke & Doreen Schincke (Hrsg.)

15. Nachwuchswissenschaftlerkonferenz Tagungsband

Konferenzorganisation: Prof. Dr. Jan Mugele (Leitung), Prof. Dr. Gabriele Helga Franke, Beatrice Manske & Doreen Schincke

Hochschule Magdeburg-Stendal

Herausgeber: Prof. Dr. Jan Mugele, Prof. Dr. Gabriele Helga Franke & Doreen Schincke

ISBN: 978-3-935831-58-1

www.hs-magdeburg.de

Coverlayout: Carsten Boek, Hochschule Magdeburg-Stendal Layout & Satz: Harzdruckerei GmbH, Wernigerode

Tagungsband: 15. Nachwuchswissenschaftlerkonferenz ost- und mitteldeutscher Fachhochschulen

SCHIRMHERRSCHAFT Hartmut Möllring, Minister für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt. Die Veranstaltung wird gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt.

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Grußwort von Sachsen-Anhalts Minister für Wissenschaft und Wirtschaft, Hartmut Möllring, für den Tagungsband zur 15. Nachwuchswissenschaftler-Konferenz ost- und mitteldeutscher Fachhochschulen in Magdeburg Liebe Leserinnen, liebe Leser zu forschen liegt in der Natur des Menschen. Aus Neugier entsteht neues Wissen, Fortschritt lebt von Forschergeist. Ständig Fragen zu stellen und auch Bekanntes zu hinterfragen – das macht einen guten Forscher aus und das macht ihn für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft so wertvoll. Fakt ist: Forschung wird als Triebfeder des Fortschritts künftig noch wichtiger, ebenso wie die Ressource Wissen und daraus entstehende Innovationen. Deshalb habe ich sehr gern die Schirmherrschaft über die 15. Nachwuchswissenschaftlerkonferenz übernommen. Sie bietet Absolventen, Promovenden und wissenschaftlichen Mitarbeitern der ost- und mitteldeutschen Fachhochschulen ein gutes Podium, um eigene Forschungsarbeiten zu präsentieren. Dass Magdeburg in diesem Jahr Gastgeber der Konferenz ist, spricht für den Wissenschaftsnachwuchs in der Landeshauptstadt und im gesamten Land. Doch guter Nachwuchs kann nur gedeihen, wenn das Umfeld stimmt. In Sachsen-Anhalt sind die Fachhochschulen schon bei ihrer Gründung ganz gezielt mit starker Forschung ausgestattet worden. Dies zahlt sich aus. Unsere Hochschulen für angewandte Wissenschaften sind heute nicht nur eine wichtige Stütze der Landesentwicklung, sondern durch den engen Kontakt zur regionalen Wirtschaft auch Garant für einen erfolgreichen Technologietransfer. Beispielhaft dafür steht vor allem das Kompetenznetzwerk für angewandte und transferorientierte Forschung (KAT). Wie vielfältig das Spektrum der anwendungsorientierten Forschung in Sachsen-Anhalt und an den ost- und mitteldeutschen Fachhochschulen insgesamt ist, lässt sich aus dem vorliegenden Konferenzband entnehmen. Ich wünsche Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre. Ihr

Hartmut Möllring Minister für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt

Tagungsband: 15. Nachwuchswissenschaftlerkonferenz ost- und mitteldeutscher Fachhochschulen

15. Nachwuchswissenschaftlerkonferenz in Magdeburg Grußwort für den Tagungsband Seien Sie herzlich willkommen in der Landeshauptstadt Magdeburg. Ich freue mich sehr, Sie zur 15. Nachwuchswissenschaftlerkonferenz in unserer Stadt begrüßen zu dürfen. Magdeburg blickt auf eine glanzvolle 1200jährige Geschichte zurück, die mit großen historischen Persönlichkeiten, wie dem Kaiser Otto dem Großen oder dem Bürgermeister und Wissenschaftler Otto von Guericke, eng verbunden ist. Die Stadt hat aber auch in ihrer Geschichte mehrfach schwere Krisen mit großen Zerstörungen erleben müssen. Daraus ist ein unglaublich starker Wille in der Bürgerschaft entstanden, ihre Stadt immer wieder aufzubauen und neu zu entwickeln. Heute ist Magdeburg als Landeshauptstadt ein Verwaltungszentrum, ein starker Wirtschafts- und vor allem ein dynamischer Wissenschaftsstandort. An der Otto-von-Guericke-Universität und der Hochschule Magdeburg-Stendal studieren mehr als 19.000 junge Menschen. Alle großen außeruniversitären Wissenschaftsorganisationen sind mit eigenen Forschungsinstituten in Magdeburg vertreten. Die Weiterentwicklung des Wissenschaftsstandortes gehört zu den wichtigsten strategischen Zielen in Magdeburg. Dabei arbeiten alle Wissenschaftseinrichtungen ganz eng und kooperativ mit der Stadt zusammen. Nicht zuletzt deshalb nimmt Magdeburg im Ranking der dynamischen Großstädte in Deutschland seit einigen Jahren eine Spitzenposition ein – und das erfüllt uns mit Stolz. Wir sind gern Gastgeberstadt für Ihre Konferenz und hoffen, Sie fühlen sich wohl in unserer Stadt. Natürlich wünsche ich aber vor allem, dass Sie eine interessante und spannende Tagung in Magdeburg erleben.

Dr. Trümper Oberbürgermeister

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Grußwort der Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal Forschung ist neben Lehre und Weiterbildung eine der drei Säulen, auf denen die Angebote unserer Hochschule fokussieren. In sieben Fachbereichen, an den beiden Standorten Magdeburg und Stendal, forschen ca. 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Vielfältige Projekte werden in den Kompetenzfeldern: • Innovation in Technik, Energie und Umwelt; Ressourcenschonung/Nachhaltigkeit, • Ökonomisches Denken in Gesellschaft, Technik und Unternehmen, • Gesundheit und Gesellschaft, • Psychosoziale/Soziale Dienstleistungen und • Anwendungsorientierte Kommunikation und Interaktion bearbeitet. Neben der traditionell sehr engen Zusammenarbeit mit regionalen Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft, baut die Hochschule ihre Zusammenarbeit im überregionalen und internationalen Kontext zielgerichtet aus. Dies zeigt sich vor allem in der Etablierung von Forschungsschwerpunkten und Kompetenzzentren, in denen forschungsstarke Kolleginnen und Kollegen ihre Kompetenzen bündeln und disziplinäre und interdisziplinäre Forschungsprojekte bearbeiten. Ein besonderes Anliegen der Hochschule ist die Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses, beispielsweise durch die Vergabe von Graduiertenstipendien und den Ausbau von kooperativen Promotionen. Die diesjährige 15. Ostdeutsche Nachwuchswissenschaftlerkonferenz auf unserem Campus in Magdeburg steht in der guten Tradition, jungen Forschenden an Fachhochschulen ein Format zu bieten, in dessen Rahmen sie die Ergebnisse ihrer Forschungsarbeiten einem größeren Publikum präsentieren und diskutieren können. Die mehr als 162 Bewerbungen von 19 Fachhochschulen aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen belegen die hohe Attraktivität der Konferenz. Durch das Engagement von 70 Gutachterinnen und Gutachtern konnten die Einreichungen bewertet und 48 als Vortrag und 68 als Poster zur Konferenz zugelassen werden. Das auf der Konferenz vertretene Fächerspektrum ist breit aufgestellt und beinhaltet Ingenieur-, Natur-, Human-, Wirtschafts- und Informationswissenschaften. Die Möglichkeit andere Forschungskulturen und -ergebnisse als die eigene kennen zu lernen macht das besondere Flair der Konferenz aus.

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Ich bedanke mich beim Minister für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt Hartmut Möllring für die Übernahme der Schirmherrschaft und bei allen Sponsoren für die finanzielle Unterstützung. Mein besonderer Dank gilt dem Organisationsteam der Veranstaltung, die durch ihren großen persönlichen Einsatz die Durchführung der 15. Nachwuchswissenschaftlerkonferenz möglich gemacht hat. Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Konferenz, genießen Sie unseren Campus und sammeln Sie möglichst viele Erkenntnisse und Kontakte, die Sie in Ihrer weiteren wissenschaftlichen Laufbahn unterstützen werden.

Ihre Anne Lequy

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Elektroimpulsverdichten von Titanpulvern für neuartige Implantate J. Grüning, S. Mücklich, M. Kolbe Westsächsische Hochschule Zwickau Fakultät Automobil- und Maschinenbau AG Werkstofftechnik Dr.-Friedrichs-Ring 2a 08056 Zwickau [email protected] Abstract: Aufgrund ihres außergewöhnlichen Eigenschaftsspektrums finden Titan und seine Legierungen seit Jahren in vielen Bereichen der Technik ihren Einsatz. Aber die hohen Kosten bei der Herstellung sind ein begrenzender Aspekt, der für viele Einsatzgebiete die Nutzung von Ti-Werkstoffen verhindert. In der vorliegenden Arbeit wird ein neuartiger Ansatz durch den Einsatz einer preiswerten Technologie zur Herstellung von Bauteilen aus pulverförmigen Ausgangsstoffen vorgestellt. Basis dafür bildet die Hochgeschwindigkeitsumformung (HGV). Dazu werden zunächst Anlagenparameter erörtert und die Eigenschaften von verschiedenen Titanpulvern untersucht. Es zeigt sich, dass im Besonderen die Korngrößen der Sinterpulver zu Änderungen der Materialeigenschaften der HGV-Werkstoffe führen. Abschließend wird ein Musterbauteil mit den optimierten Anlagenparametern und untersuchten Titanpulvern hergestellt.

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Einleitung und Hintergrund

Bei der medizinischen Versorgung von Patienten werden insbesondere als Folge von Unfällen patienten-spezifische Implantate benötigt, welche sich durch die mechanischen sowie bioverträglichen Eigenschaften eignen. Bisher werden solche Implantate im Allgemeinen durch Gießen, spanende Bearbeitung oder umformende, generative Verfahren hergestellt, [Ch00, Eu99, Ni04, Ta02, Wi05]. Dies erfordert einen unverhältnismäßig hohen Zeit- und Kostenaufwand. Mittels des HGV-Verfahrens sollen diese Nachteile deutlich verringert werden. Ein Vorteil der Bauteilherstellung aus pulverförmigen Werkstoffen ermöglicht eine nahezu große Geometriefreiheit, welche die Produkteigenschaften verbessert. Die Anforderungen an die Herstellung von Implantaten sind zum einen die Genauigkeit und damit auch die geometrische Komplexität und zum anderen die Oberflächenqualität im Bereich der Funktions- und Reibflächen, [Be13, Mi12, Ne88]. Weiterhin ist der Materialverlust gering, da das nicht umgeformte Pulver vollständig wiederverwendet werden kann. Titanwerkstoffe sind aufgrund ihrer chemischen Beständigkeit, Kompatibilität zu körpereigenen Materialien und ihrer mechanischen, dynamischen und statischen Kennwerte sehr für den Bereich der Medizintechnik als Implantatmaterial geeignet. Die wesentlichen Anforderungen an Biomaterialien als Knochenersatzwerkstoff sind Korrosionsbeständigkeit, Biokompatibilität und -adhäsion sowie geeignete mechanische

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Eigenschaften, z.B. ausreichende Festigkeit je nach Anwendungsfall oder dem Knochen ähnliche Steifigkeit, [Br02]. Der Implantatwerkstoff muss sich durch Dauerfestigkeit und mechanische Dehnung auszeichnen, um den im Skelett auftretenden Lasten dauerhaft Stand zu halten und bei Überlast einen Implantatbruch zu vermeiden. Eine verbreitete Möglichkeit zur Ermittlung von Werkstoffkennwerten und der Gefügecharakterisierung sind die Methoden der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung. Zusätzlich werden auch zerstörende Werkstoffprüfungen, wie 4-Punkt-Biegung und Härtemessung genutzt, [Bl76]. Besondere Schwerpunkte liegen in der Auswertung der Messinformation.

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Material und Methoden

Im Rahmen dieses Projektes wurden Reintitan Grade 1 und Grade 2, da gute Korrosionsbeständigkeit und geringe Dichte sowie die Titanlegierung Ti-6Al-4V (Grade 5) untersucht. Diese Werkstoffe sollten auf die Herstellung mittels HGV abgestimmt werden und damit eine kostengünstigere Herstellungsmethode ermöglichen. Die schnelle magnetische Umformung beruht auf dem physikalischen Prinzip der Selbstinduktion. Hierbei wird durch ein zeitlich veränderliches Magnetfeld in benachbarten elektrisch leitfähigen Metallen ein Stromfluss, hervorgerufen durch Selbstinduktion, bewirkt. In Abhängigkeit von den induzierten Strömen und der magnetischen Flussdichte kommt es, ausgehend von dem Magnetfeld, zu Kraftwirkungen, welche sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet sind, [Ko95]. Gespeist wird das Magnetfeld durch mehrere gekoppelte Stoßkondensatoren, welche zunächst langsam aufgeladen werden müssen. Anschließend werden diese im Mikrosekundenbereich über einer Spule, welche auf die Werkstückgeometrie abgestimmt wurde, zeitgleich in Form eines kurzen Impulses entladen. Für die Umsetzung in der HGV-Anlage wurde die Prozessvariante der Einschussspule gewählt. Der Vorteil dieser Prozessvariante ist, dass die Energie nahezu unmittelbar von der Spule auf das Kupferrohr und das Pulver übertragen wird, so dass eine Kompaktierung des Pulvers gewährleistet werden kann.

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Ergebnisse und Diskussion

Der Dichteverlauf (Abb. 1) zeigt, dass mit steigender Entladeenergie die Dichte bei den jeweiligen Partikelgrößen steigt, dies bestätigt sich auch in den Härtewerten. Die Partikelgrößen des Pulvers spielen somit eine entscheidende Rolle bei der Herstellung. Nach den Untersuchungen des Gefüges, der Härtemessung und der E-Modul-Ermittlung zeigt sich, dass mit der Hochgeschwindigkeitsumformung und dem verwendeten Titanpulver Implantate herstellbar sind. Die Betrachtung der Messdaten verweist auf reproduzierbare Werte. Die dargestellten Messwerte und Proben sind lediglich erste Ergebnisse, es sind weiterführende Untersuchungen wie Dauerfestigkeiten und Korrosion geplant, um Erkenntnisse über langfristige Veränderungen im Implantat zu bestimmen. Als weiteres Entwicklungsziel wird die Auswertung von derartigen Messdaten über vergleichsweise lange Zeiträume und in Verbindung mit anderen Kennwerten wie Biokompatibilität und Bioadhäsion angestrebt.

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Abbildung 1: Dichteverlauf in Abhängigkeit der Entladeenergie für die jeweilige Körnung

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Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Herstellung von Implantat- bauteilen aus Titanpulver durch Einsatz der HGV-Technik möglich ist, Abb. 2. Insbesondere ergeben sich Vorteile durch die große Geometriefreiheit, den geringen Materialverlust, die Möglichkeit zum Einstellen neuartiger Produkteigenschaften und die geringen Anforderungen an die Anlagen- und Verarbeitungstechnik sowie die weitreichenden Anwendungsmöglichkeiten. Anhand der ersten Bauteile konnten bereits erste Erfahrungen gesammelt werden, welche für die direkte Produktionsumsetzung wichtig sind. Zukünftig werden diese Musterbauteile zur Untersuchung des Langzeitverhaltens zur Anwendung in der Medizin genutzt und weitere Erkenntnisse in den Herstellungsprozess eingebracht.

Danksagungen Die Autoren bedanken sich beim Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst für die finanzielle Unterstützung des Projektes HGV-Ti unter dem Förderkennzeichen 4-7531.50/1138/6, bei allen Projektbeteiligten, vor allem Frau Prof. Dr.-Ing. habil. S. Mücklich und Herrn Prof. Dr.-Ing. M. Kolbe sowie bei allen Mitarbeitern der Arbeitsgruppe Werkstofftechnik und Umformtechnik an der Westsächsischen Hochschule Zwickau.

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Abbildung 2: Muster-Implantat

Literatur [Be13] Beerwald C (2013): Werkstücke ohne Berührung hochdruckfest verbinden. Fachzeitschrift Industrieanzeiger. [Bl76] Blumenauer H (1976): Werkstoffprüfung. VEB Fachbuchverlag Leipzig, 1. Auflage. [Br02] Breme J (2002): Titan und Titanlegierungen in der Medizintechnik. Wiley-VCH-Verlag 2002, 416-460. [Ch00] Chou P, Wang C, Chang C, Wang W.-R.(2000): Physical modeling and processing of Ti-6Al-4V ELI. Zeitschriftenaufsatz: Acta Metallurgica Sinica (English Letter), Band 13, Heft 2, 606-610. [Eu99] Eufinger H, Wehmöller M, Weihe S, Müller C, Falk A (1999): Titan für individuelle Implantate. Geometrische und werkstoffspezifische Aspekte der rechnergestützten Fertigung und radiologisches Follow-up Bochum, Konferenz-Einzel­bericht: Computer Assisted Surgery and Rapid Prototyping in Medecine, 5th Int. Workshop, 33 ff. [Ko95] König W (1995): Fertigungsverfahren. Blechbearbeitung VDI-Verlag-GmbH, Düsseldorf. [Mi12] Mironov V, Kolbe M, Zemchenkov V, Shishkin A (2012): Investigation of Magnetic Pulse Deformation of Powder Parts. 5th International Conference on High Speed Forming. [Ne88] Neubauer A, Stroppe H, Wolf H (1988): Hochgeschwindigkeitstechnologie der Metallbearbeitung. VEB Verlag Technik Berlin, 1. Auflage. [Ni04] Niinomi M, Hattori T, Niwa S (2004): Material characteristics and biocompati-bility of low rigidity titanium alloys for biomedical applications. Biomaterials in Orthopedics. [Ta02] Tamizifar M, Omidvar H, Mohammad S, Salehpour Z, Khoshkalam O (2002): Effect of processing parameters on shear bands in non-isothermal hat forging of Ti-6Al-4V. Materials Science and Technology, Band 18, Heft 1. [Wi05] Wirtz T (2005): Herstellung von Knochenimplantaten aus Titanwerkstoffen durch Laserformen. Dissertation, Aachen 2005.

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Hintergründe für sexuell abweichendes Verhalten im Jugendalter am Beispiel der „Sexuellen Verwahrlosung“ in Deutschland Martin Staats Fachbereich Sozialwesen Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena Carl-Zeiss-Promenade 2 07745 Jena [email protected] Abstract: „Sexuelle Verwahrlosung“ ist ein wiederkehrendes Thema von aktueller Bedeutung. Im gegenwärtigen Diskurs werden darunter unterschiedliche Verhaltensweisen von Jugendlichen verstanden, die nicht in das Normalitätskonzept der westlichen Gesellschaft passen, wie beispielsweise das Feiern von Gang-BangPartys, das übermäßige Konsumieren von Pornografie, häufig wechselnde Geschlechtspartner zu haben sowie als Teenager schwanger zu sein. Bei diesen Verhaltensweisen, die unter dem Sammelbegriff „Sexuelle Verwahrlosung“ diskutiert werden, gibt es keine klare Abgrenzung in der Jugendforschung, was als verwahrlost zu bezeichnen ist und was nicht. Zudem sind die Hintergründe der Debatte um „Sexuelle Verwahrlosung“ nicht untersucht. Darüber hinaus wird das Thema „Sexuelle Verwahrlosung“ aktuell in einem Spannungsfeld diskutiert, welches in zwei Pole tendiert. Die Initiatoren der aktuellen Debatte behaupten, dass ein Großteil der Jugendlichen sexuell verwahrlosen wird, wogegen die wissenschaftliche Seite zwar eine Forschungslücke für solch eine Gruppe in ihren Artikeln und Statistiken lässt, aber größtenteils das Bestehen und die pädagogische Relevanz dieses Themas in seiner Komplexität negiert. Beide Pole werden in der vorliegenden wissenschaftlichen Analyse vorgestellt. Zudem werden analytische Ansätze geboten, welche Hintergründe in der Debatte mitgedacht werden müssen.

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Der aktuelle Diskurs der „Sexuellen Verwahrlosung“

Die gesellschaftlichen Normalitätsvorstellungen von Jugendsexualität wurden durch den Artikel von Walter Wüllenweber [Wü07] im Stern 2006 erschüttert. Hierin beschrieb er ein Bild von Heranwachsenden, welche keine Zärtlichkeiten austauschen und sich nicht lieben, sondern nur harten emotionslosen Sex haben, Pornografie und Porno-Rap konsumieren, Vergewaltigungsszenen nachspielen oder häufig wechselnde Sexualpartner haben und das bereits als junge Heranwachsende. Diese Darstellung seiner Recherche wird mit der Befürchtung komplettiert: „Ein Teil der Gesellschaft driftet ab in die sexuelle Verwahrlosung“. [ebd., Untertitel] Im Folgejahr schrieben Bernd Siggelkow und Wolfgang Büscher [SB08] das Buch „Deutschlands sexuelle Tragödie: Wenn Kinder nicht mehr lernen, was Liebe ist“. In

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diesem Sachbuch wurden mehrere Fälle von Jugendlichen beschrieben, die nach Ansicht der Autoren sexuell verwahrlost sind. Die beiden Verfasser sind in ihrem Buch der Auffassung: „Entwickeln wir uns so weiter wie bisher, werden immer mehr junge Leute beziehungs- und konfliktunfähig. Vergewaltigungen und Gewalt in der Sexualität werden eine immer größere Rolle spielen. Kleine Geschwister werden Opfer ihrer größeren Brüder und Schwestern werden, weil diese einfach mal etwas ‚ausprobieren‘ wollen. Auch die Spielplätze sind dann nicht mehr sicher. Die Zahl der Geschlechtskrankheiten unter Jugendlichen wird steigen, und es wird immer mehr junge Leute geben, die sich mit HIV infizieren. Teenagerschwangerschaften und Abtreibungen werden zunehmen und der eigene Körper wird nicht mehr respektiert“. [SB08, S. 183] Der Kerngedanke beider Beiträge ist ein Bild, dass als Schreckensszenario beschrieben werden kann und für den Großteil der heutigen Jugend gelten soll. Darin wird eine Argumentationskette eröffnet, die Kinder beschreibt, die mit neun Jahren zusammen mit ihren Eltern Pornos schauen, mit zehn Jahren ihren ersten Geschlechtsverkehr vollzogen haben und mit dreizehn Jahren bereits ihr erstes Kind gebären. Zudem verhüten sie nicht, haben häufig wechselnde Geschlechtspartner, nehmen Drogen, treiben sich auf Gang-Bang-Partys herum und haben zumeist keine andere Perspektive in der Gesellschaft als Devianz. [vgl. Wü07; SB08] Aufbauend auf diese Ausgangslage entfaltete sich eine mediale Debatte mit der erneuten Sorge um Sexualität und im Besonderen um die negative Entwicklung der Jugendsexualität in Deutschland in diversen Bereichen [vgl. u.a. Ge07; Sü09]. Zudem gab es Veröffentlichungen, die gewisse Einzelthemen der „Sexuellen Verwahrlosung“ hervorgehoben und besonders problematisiert haben, wie beispielsweise das Buch „Generation Porno: Jugend, Sex, Internet“ von Johannes Gernert [Ge10] oder die Publikation „McSex: Die Pornofizierung unserer Gesellschaft“ von Myrthe Hilkens [Hi10]. Als argumentative Gegenposition zur gegenwärtigen Verwahrlosungsthese stehen die Aussagen der empirischen Sexualforschung der letzten 40 Jahre und der aktuelle wissenschaftliche Diskurs um die „Sexuelle Verwahrlosung“ von Jugendlichen [SS10]. Die empirische quantitative Jugendsexualitätsforschung hat in diversen wissenschaftlichen Publikationen gezeigt, dass so gut wie alle Jugendlichen beim ersten Geschlechtsverkehr verhüten und sich sogar das Verhütungsverhalten in Folgesexualkontakten verbessert, dass Jugendliche größtenteils nicht mehr als drei Sexualpartner in ihrem Leben hatten und dass das Alter des ersten Geschlechtsverkehrs seit Jahren um das 16. Lebensjahr herum liegt [vgl. Bu06; Bu10; Neu08a; Neu08b; Neu11]. Es lässt sich resümieren, dass die Sexualität von Jugendlichen besonders in den letzten 40 Jahren intensiv untersucht wurde und die aktuelle Debatte um „Sexuelle Verwahrlosung“ in ausgewählten Punkten analysiert ist. Dabei ist allen geprüften Publikationen gemein, dass sie das Thema „Sexuelle Verwahrlosung“ nicht als eigenständigen Gegenstand untersucht, sondern Einzelaspekte, wie Pornografiekonsum, das Sexualverhalten oder Teenagerschwangerschaften bei Heranwachsenden erforscht haben. Aus diesen Gründen ist zu konstatieren, dass die Erforschung der

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aktuellen sexuellen Verwahrlosungsdebatte in dem Bereich der Hintergründe für die Debatte fortgeschrieben werden muss und folglich folgende Forschungsfrage bearbeitet werden muss.

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Forschungsfrage

In der Analyse und Reflektion der Debatte um „Sexuelle Verwahrlosung“ sind die Hintergründe zu untersuchen und die Ursachen für die Initiierung des aktuellen Diskurses zu erforschen, zu verstehen und zu systematisieren. Die Nutzung der gezielten Skandalisierung von Verhaltensweisen als Interventionsbegründung oder als Aufmerksamkeitsgenerator für einzelne Initiatoren oder Gruppen soll aufgeklärt werden. Somit sind die Hintergründe der Debatte um „Sexuelle Verwahrlosung“ die bedeutende Analyseebene für den Diskurs, mit folgender Forschungsfrage: Was bezwecken die Initiatoren solcher Verwahrlosungsdiskurse mit der Verbreitung?

4 Ergebnisse – Hintergründe der Debatte um „Sexuelle Verwahrlosung“ Hintergründe der Debatte um „Sexuelle Verwahrlosung“ sind ein wichtiges Analysekriterium beim erforschen des Phänomens und können in Eigeninteressen der Medien, an der Popularität des Themas Sexualität oder im Besonderen in der Skandalisierung der Jugendsexualität [vgl. Vo10] gesucht werden. Es können aber auch Abgrenzungs- und Definitionsprozesse von Professionen und Disziplinen sein, die Einfluss auf das gesellschaftliche Normalitätsmuster von Jugendsexualität haben und somit vorher tabuisiertes Verhalten enttabuisieren, wie es beispielsweise bei der Jugendsexualität oder Homosexualität der Fall war. [vgl. Neu08a; Me10] Diese Abgrenzungs- und Definitionsprozesse können aber auch genau entgegengesetzte Wirkungen entfalten, wie in früheren Debatten, bspw. zur „Mussehe“ [Neu08a, S. 372], der hier untersuchten „Sexuellen Verwahrlosung“ [vgl. SS10] oder aktuell bezüglich des Kinderschutzes offenkundig wird. [vgl. Wi13] Hier werden Verhaltensweisen umgedeutet und danach mit kritischen Augen begutachtet oder sogar strafrechtlich verfolgt. Die Pönalisierung des Jugendschutzes kann als ein weiteres Beispiel für strukturelles Handeln, bezogen auf die Sexualität, herangezogen werden, die Rüdiger Lautmann [La08] in seinem Artikel ‚„Gibt es nichts Wichtigeres?‘. Sexualität, Ausschluss und Soziale Arbeit“ beschreibt. Unter anderem wird darin das Verhältnis von abweichender Sexualität im Jugendalter und der Reaktionen der betreffenden Instanzen diskutiert. In diesem Artikel zeigt er, dass in den letzten 20 Jahren eine Bewegung initiiert wurde, die die jugendliche Sexualität wieder als schützenswertes Gut beschreibt. Es werden ehemals gelockerte Jugendschutzrechte, die die einvernehmliche Sexualität von Heranwachsenden entpönalisiert hatte, seit einigen Jahren doch wieder als strafenswert angesehen. Hierzu schreibt Lautmann beispielsweise: „An den Grenzen der Konsensmoral wacht die Figur der sexuellen Geschäftsfähigkeit.

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Kinder können nicht einwilligen. Das Schutzalter steigt wieder an, es ist in einigen europäischen Konventionen bereits an die Volljährigkeit herangeschoben, seit 2007 auch in Teilen des deutschen Jugendschutzrechts.“ [La08, S. 279] Zudem gibt Lautmann zu bedenken, dass Institutionen, wie die Soziale Arbeit oder auch die Familie, sich nicht von Gefährdungsdiskursen, wie dem aktuellen, instrumentalisieren lassen sollten. Es wäre fatal, von einem kindergerechten Gewähren, Begleiten und Aufklären der Sexualität, zu einem Modus zu kommen, der die Institutionen der Sozialisation aus Angst, die Kinder könnten sexualisiert werden, in Apathie verfallen lässt, oder noch schlimmer die Mechanismen Kontrolle und Strafe als handlungsleitend wiedereinführt. [vgl. La08] Die Position der Medien und der strafrechtlichen Entwicklung in der Gesellschaft sind somit Aspekte, die in der Debatte um „Sexuelle Verwahrlosung“ zu beachten sind. Eine weitere, bereits angesprochene Perspektive ist die Positionierung der Professionen im Arbeitsmarkt. Folglich könnten hinter dem Diskurs der „Sexuellen Verwahrlosung“ auch Eigeninteressen bspw. der Sozialen Arbeit stehen. Diese könnte sich mit der Diagnosestellung der „Sexuellen Verwahrlosung“ bei Jugendlichen einen eigenen Arbeitsbereich erschaffen und erhalten, weil die Handelnden der Soziale Arbeit gleichzeitig den Bedarf feststellen und versuchen Abhilfe zu verschaffen. Das könnte bedeuten, dass die Profession gar nicht an der Bearbeitung des Phänomens interessiert ist, weil es Beschäftigung schafft, obwohl es Unschuldige stigmatisiert. Somit zeigt sich, dass Skandalisierungsdiskurse nicht nur Angst und Verunsicherung bei allen Beteiligten erzeugen, sondern, dass diese, durch die Beschreibung eines Problems, immer einen eigenen Definitionsraum für die jeweilige Profession ermöglichen, die an dem Diskurs beteiligt ist. Somit wird die Ausdehnung des eigenen Handlungsbereiches und folglich auch die Schaffung von Beschäftigung unterstützt. Das muss in jedem Arbeitsprozess zum Wohle des Klienten reflektiert werden und darf nicht zum Selbstzweck der Arbeitsbeschaffung verkommen. Lautmann beschreibt dies wie folgt: „Gerügt wird auch das mitspielende professionelle Interesse, Beschäftigungsmöglichkeiten für Sozialpädagogen und Psychologen zu schaffen.“ [La08, S. 286]

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Diskussion

Der Diskurs der „Sexuellen Verwahrlosung“ hat eine historische Grundlegung, die in der aktuellen Ausführung durch Walter Wüllenweber, Bernd Siggelkow und Wolfgang Büscher weitergeführt wurde. [vgl. Ni10] Sie beinhaltet die Skandalisierung des Sexualverhaltens einer bestimmten Gruppe, wobei ein gewisses Eigeninteresse unterstellt werden muss, welches nicht zuträglich für die Bearbeitung des Phänomens ist. Zudem beteiligen sich aber noch andere Interessengruppen an dem Diskurs, die eigentlich für den Schutz bzw. die Reintegration in die Gesellschaft dieses Personenkreises verantwortlich sind. Überdies hinaus ist der Begriff „Sexuelle Verwahrlosung“, aufgrund der Beliebigkeit seiner Auslegung zu definieren. Hierbei müssen angrenzende Verhaltensweisen, wie u.a. sexuell kriminologische, pathologische, normale oder andere

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abweichende Verhaltensweisen, analysiert werden und es muss anschließend geprüft werden, ob sie dem Begriff „Sexuelle Verwahrlosung“ zuzuschreiben sind. Das würde der aktuell undifferenzierten und subjektiv willkürlichen Auslegungspraxis in der pädagogischen Praxis und in Teil auch der Wissenschaft entgegensteuern und folglich eine einheitliche Diskussionsgrundlage schaffen.

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Ausblick

Zur differenzierten Betrachtung des Phänomens „Sexuelle Verwahrlosung“ ist, wie eben beschrieben, eine Definition unumgänglich. Diese hätte den Nutzen eine eindeutige Abgrenzung zu anderen Verhaltensweisen sicherzustellen und somit die pädagogische Praxis in der Einschätzung von sexueller Abweichung zu unterstützen. Weiter müssen empirisch gesicherte Gründe für das Verhalten und Hintergründe der Debatte um „Sexuelle Verwahrlosung“ herausgearbeitet werden. Anhand dieser Erkenntnisse sollten im Sinne des Theorie-Praxis-Transfers Handlungsempfehlungen entstehen, die zum einen den Umgang mit den betreffenden Jugendlichen frühzeitig im Sinne der „Ressourcenorientierung“ [vgl. Ne08], des „Capability Approaches“ [vgl. Kl11] und des Ansatzes des „Empowerments“ [vgl. Ga07] ermöglichen und zum anderen die Hintergründe der Debatte verstehbar und handhabbar machen, auch für zukünftige Verwahrlosungsdiskurse im sexuellen Bereich. Das übergeordnete und ambitionierte Ziel sollte es sein, dass durch alle angestrebten präventiven Maßnahmen die Qualität der sexualpädagogischen Arbeit verbessert wird, Kosten für nicht mehr notwendige pädagogische Hilfen, aufgrund der frühzeitigen Aufklärung und Unterstützung der Beteiligten, minimiert werden können und ein Beitrag zur adäquaten Sexualisation von Heranwachsenden geleistet wird.

Bibliografie [Bu06] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) (2006): Jugendsexualität 2006. Repräsentative Wiederholungsbefragung von 14–17jährigen und ihren Eltern, BzgA, Köln [Bu10] Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) (2010): Jugendsexualität 2010. Repräsentative Wiederholungsbefragung von 14–17jährigen und ihren Eltern – Aktueller Schwerpunkt Migration, BzgA, Köln [Ga07] Galuske, Michael (2007): Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung, Juventa Verlag, Weinheim und München [Ge07] Gernert, Johannes (2007): Verbales Mutterficken, Taz.de, vom 9.7.2007. Quelle: [http://www.taz.de/!1678/], Zugriff: 22.10.2013 [Ge10] Gernert, Johannes (2010): Generation Porno: Jugend, Sex, Internet, Fackelträger Verlag, Köln [Hi10] Hilkens, Myrthe (2010): McSex: Die Pornofizierung unserer Gesellschaft, Orlanda Verlag, Berlin [Kl11] Klein, Alexandra (2011): Verwahrlosung – Eine sozialpädagogische Vergegenwärtigung mit Klaus Mollenhauer, Soziale Passagen (3), S. 115–125

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[La08] Lautmann, Rüdiger (2008): „Gibt es nichts Wichtigeres?“. Sexualität, Ausschluss und Soziale Arbeit, In: Roland Anhorn, Frank Bettinger, Johannes Stehr, (Hrsg.): Sozialer Ausschluss und Soziale Arbeit, 2. überarb. Aufl., VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S. 273–290 [Me10] Menzel, Birgit (2010): Verwahrlosung und die Legitimation sozialer Ungleichheit In: Schetsche, Michael/ Schmidt, Renate-Berenike (Hrsg.): Sexuelle Verwahrlosung. Empirische Befunde – Gesellschaftliche Diskurse – Sozialethische Reflexionen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S. 233–240 [Ne08] Nestmann, Frank (2008): Ressourcenarbeit, In: Grunewald, Klaus/ Thiersch, Hans (Hrsg.): Praxis Lebensweltorientierter Sozialer Arbeit. Handlungszugänge und Methoden in unterschiedlichen Arbeitsfeldern, Juventa, Weinheim und München, S. 69–86 [Neu08a] Neubauer, Georg (2008a): Sexualität im Jugendalter. In: Schmidt, Renate-Berenike/ Sielert, Uwe (Hrsg.): Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung, Juventa, Weinheim und München, S. 371–383 [Neu08b] Neubauer, Georg (2008b): Jugendsexualität im Spiegelbild empirischer Sexualforschung. In: Ittel, Angela/ Stecher, Ludwig/ Merkens, Hans/ Zinnecker, Jürgen (Hrsg.): Jahrbuch Jugendforschung, 7.Ausgabe, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S. 19–32 [Neu11] Neubauer, Georg (2011): Sexualität im Jugendalter: Zwischen Promiskuität und lebenslanger Bindung. Politik und sozialer Protest. Die Mär von der apolitischen Jugend. In: Heitmeyer, Wilhelm/ Mansel, Jürgen/ Olk, Thomas (Hrsg): Individualisierung von Jugend. Zwischen kreativer Innovation, Gerechtigkeitssuche und gesellschaftlichen Reaktionen, Beltz Juventa, Weinheim und Basel, S. 115–127 [Ni10] Niemeyer, Christian (2010): Deutschlands sexuelle Moralpaniken. Eine Tragödie in sechs Akten, aufzuführen unmittelbar vor Betreten der rettenden Arche. In: Schetsche, Michael/ Schmidt, Renate-Berenike (Hrsg.): Sexuelle Verwahrlosung. Empirische Befunde – Gesellschaftliche Diskurse –Sozialethische Reflexionen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S. 27–50 [SS10] Schetsche, Michael/ Schmidt, Renate-Berenike (Hrsg.) (2010a): Sexuelle Verwahrlosung. Empirische Befunde – Gesellschaftliche Diskurse –Sozialethische Reflexionen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden [SB08] Siggelkow, Bernd/ Büscher, Wolfgang (2008): Deutschlands sexuelle Tragödie. Wenn Kinder nicht mehr lernen, was Liebe ist, Gerth Medien, München [Sü09] Süddeutsche Zeitung Magazin (2009): Jugend ohne Jugend. Sie sehen Pornos mit 12, haben Sex mit13, sind schwanger mit 14: Warum haben es unsere Kinder so eilig mit dem Erwachsenwerden? Ein Krisengespräch, Nr. 35, 28. August 2009 [Vo10] Vollbrecht, Rolf (2010): Wirkung pornographischer Mediendarstellungen. Theorien, Annahmen und empirische Befunde zur Medienwirkung sexualisierter und pornographischer Darstellungen auf Jugendliche. In: Schetsche, Michael/ Schmidt, Renate-Berenike (Hrsg.): Sexuelle Verwahrlosung. Empirische Befunde – Gesellschaftliche Diskurse –Sozialethische Reflexionen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S.145–165 [Wi13] Winkler, Michael, (2013): Schwierigkeiten mit einem Thema, Forum Erziehungshilfen, 19. Jahrgang 2013, 2.Heft, S. 92–94 [Wü07] Wüllenweber, Walter (2007): Voll Porno! Wenn Kindern nicht mehr lernen, was Liebe ist. In: Stern 06/2007 Quelle: [http://www.stern.de/politik/deutschland/ sexuelle-verwahrlosung-voll-porno-581936.html] Zugriff am: 22.10.2013

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Eignung von hochverdichteten Stroh-Quaderballen als Baustein für Schallschutzwände Dipl.-Ing. (FH) Marcus Schöbel Fakultät Bauwesen Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Karl-Liebknecht-Straße 132 04277 Leipzig [email protected]

Abstract: Im Forschungsprojekt werden großformatige hochverdichtete Stroh-Quaderballen (m ~ 0,5 t/Ballen) hinsichtlich einer Nutzung als Baustoff für Schallschutzwände unter Beachtung der bautechnisch relevanten Problemfelder Schall-, Brand- und Witterungsschutz untersucht. Weiterhin werden Lösungsprinzipien für nachteilige bzw. die den Anforderungen ungenügenden Materialeigenschaften entwickelt. In Anlehnung an die ZTV-Lsw 06 wurden dazu relevante Materialkennwerte für hochverdichtete Stroh-Quaderballen durch Klein- und Großversuche bestimmt. Außerdem wurde eine im Läuferverband aufgeschichtete Modellwand aus Stroh-Quaderballen errichtet. Diese dient vordergründig der Untersuchung des Langzeitverhaltens unter Berücksichtigung unterschiedlicher Witterungsbeanspruchungen. Zur Bewertung der Lösungsprinzipien unter realen Bedingungen werden die aus den Klein- und Großversuchen resultierenden Materialmodifizierungen an der Modellwand umgesetzt und messtechnisch überwacht.

1

Motivation und Ziel

Aus aktuellen Umfragen geht hervor, dass in Bezug auf störende Lärmquellen der Straßenverkehr weiterhin an erster Stelle steht [BMVBS13, UBA14]. Stroh hat ein Potenzial von 8-13 Mio. Tonnen Frischmasse pro Jahr [Ze11] und kostet derzeit etwa 70 –85 €/t [TA13]. Die Kosten der eingesetzten Quaderballen (L*B*H = 2,40*1,20*0,85 m³, AWandanteil ~ 2,0 m²) betragen damit etwa 35–45 €/m². Der Primärenergiegehalt von Strohballen ist um ein Vielfaches niedriger als bei anderen Baustoffen [Kr08]. Eine Kaskadennutzung, wie bereits für Holz bzw. Holzwerkstoffe etabliert [Ka09], ist auch für Stroh denkbar, also primär die baustoffliche Nutzung der Quaderballen und nach optimaler Wertschöpfung eine abschließende energetische Nutzung. Aufgrund des organischen Materialcharakters sind Eigenschaften wie z. B. die Entflammbarkeit oder die Dauerhaftigkeit unter Witterungsbedingungen als problematisch einzuschätzen.

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Ziel ist die bautechnische Untersuchung und Bewertung der hochverdichteten Stroh-Quaderballen. Es sind mehrere bereits erloschene Patentanmeldungen bekannt, die Schallschutzwände aus Strohballen zum Gegenstand haben, sowie mehrere Jahre zurückliegende experimentelle Versuchsaufbauten, beispielsweise in Österreich (Wallern u. Niederösterreich) und Deutschland (Winsen). Zu diesen Patenten und Pilotprojekten liegen jedoch hinsichtlich der bautechnischen Anforderungen (ZTV-Lsw 06) keine wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse vor. In Deutschland war für einige Jahre eine überwiegend aus Holz bestehende Verbundkonstruktion (Tragkonstruktion aus Holz, Füllmaterial loses Stroh) auf dem Markt. Demnach bieten Stroh-Quaderballen gute Voraussetzungen bezüglich der schalltechnischen Eigenschaften.

2 Ergebnisse 2.1

Schalltechnische Eigenschaften

Die Bestimmung der Schallabsorption erfolgte über die Messung der Nachhallzeit (in Anlehnung an DIN EN ISO 354). Loses Stroh erreichte eine Schallabsorption von DL a = 3,3 dB, verdichtetes Stroh (0,25 m Dicke) hingegen 16,7 dB. Das gepresste Stroh ist nach diesen Untersuchungen als hochabsorbierend einzustufen (DIN EN 1793-1). Untersuchungen zur Schalldämmung zeigten, dass die Schallreflexion bei normaler Ballenoberfläche vernachlässigbar gering ist. Der Hauptanteil der Bewegungsenergie des Schalls geht durch Umwandlung in Wärme (Reibungsverlust in den Poren) verloren. Das geprüfte Material ist aufgrund der guten Schallabsorptionsfähigkeit (αS = 0,8–1,0) basierend auf der hohen Porosität (p = 0,85–0,86) als Schallschlucker charakterisierbar. Die Messungen der Schallpegel (Mittelwert aus 30 s Messintervall) im Sende- und Empfangsraum ergaben die in Tabelle 1 aufgeführten Schallpegeldifferenzen (Strohsegmente als Zwischenelement). Das verdichtete Material mindert demnach hohe Töne besser ab als tiefe Töne. Eine Pegeländerung um -10 dB wird vom Menschen als Halbierung der Lautstärke (Lautheit) wahrgenommen (Psychoakustik - ungefähr empfunden). Tabelle 1: frequenzabhängige Schallpegeldifferenzen Frequenz [Hz]

40

50

63

80

100

125

160

200

Differenz [dB]

8,4

6,2

5,2

5,6

8,1

8,6

5,7

2,6

250

315

400

500

630

800

1k

1,25 k

1,6 k

2k

8,8

12,5

12,2

11,2

12,9

17,6

20,6

15,3

18,0

21,1

2,5 k

3,15 k

4k

5k

6,3 k

8k

10 k

12,5 k

16 k

20 k

23,2

22,3

25,8

28,5

31,4

34,5

34,8

34,7

29,1

20,7

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2.2 Entflammbarkeit Großversuche zum Feuerwiderstand gegen Unterholzbrand (Anlehnung an DIN EN 1794-2, Anhang A) zeigten, dass eine unbehandelte Ballenoberfläche ein schnelles Aufsteigen der Flammen begünstigt (großflächige Brandschäden). Die Quaderballen sind flächenspezifisch durch eine ungleichmäßige Verdichtung charakterisiert (Oberflächengrenzbereiche < Kernbereiche < Randbereiche). Zur Bestimmung der Entflammbarkeit in Abhängigkeit von Dichte und Oberflächenausbildung wurden Kleinversuche (in Anlehnung an DIN 4102-1) an definierten Prüfkörpern durchgeführt. Eine durch Kürzen der langfaserigen Oberfläche erzeugte porige Struktur in Kombination mit einer zunehmenden Dichte reduziert die Brandhöhe (Diagramm 1). Ab einer Dichte von ρ ~ 200 kg/m³ erfüllt das Material die Anforderungen (Baustoffklasse B2 für diese Bereiche möglich). Maßgebend sind dennoch die geringer verdichteten Ballenbereiche, weil diese den größeren Porenraum aufweisen und somit durch erhöhte Sauerstoffzufuhr die Flammenentwicklung und -ausbreitung begünstigen. Lokale Stellen ρ 90°). Für gealtertes Material wurde ein Kontaktwinkel von θ = 60-70° bestimmt. Die Oberfläche ist demnach hydrophil (θ < 90°). Es entsteht eine vollständige Benetzung der Halmoberfläche (keine Tropfenbildung). Dadurch können sich beispielsweise Mikroorganismen auf der Oberfläche einfacher ansammeln und zum mikrobiellen Abbau des Materials beitragen.

3

Diskussion und Schlussfolgerungen

Die hochverdichteten Stroh-Quaderballen erfüllen die nach ZTV Lsw 06 gestellten Anforderungen für Lärmschutzeinrichtungen an Straßen nur teilweise bzw. unter bestimmten Voraussetzungen. Durch Materialmodifizierungen können die entsprechenden Zielvorgaben der Norm erreicht werden. Die technische Umsetzung von Lösungsprinzipien zur Erhöhung der Dauerhaftigkeit der Stroh-Quaderballen bzw. der Modellwand verdeutlicht, dass eine nachträgliche Modifizierung sehr aufwendig ist (z. B. nachträgliche Verschalung der senkrechten Wandflächen und Abdeckung der Wandkrone). Für die Nutzung bzw. Anwendung im öffentlichen Raum ist die strikte Einhaltung der Norm zwingend, sodass beispielsweise die Wandoberfläche aufgrund der Entflammbarkeit mit einer konstruktiven Materialkombination (z. B. teilflächige Holzverschalung mit darunter liegendem Gewebe) verblendet sein muss. Eine denkbare Lösungsvariante ist z. B. die Vorfertigung von mehrschaligen Modulen, die im Kern aus verdichteten Strohplatten bestehen. Ergebnisoffen ist diesbezüglich die Reduzierung der Schallabsorptionsfähigkeit (bzw. Erhöhung der Reflexion) durch eine teilflächige Verschalung. Vorzuziehen sind prinzipiell konstruktive Maßnahmen, damit nach Nutzungsende eine problemlose energetische Verwertung oder Rückführung in den Stoffkreislauf möglich ist.

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Literaturverzeichnis [BMVBS13] http://www.bmvbs.de/SharedDocs/DE/RedenUndInterviews/2013/ VerkehrUndMobilitaet/bundesminister-dr-peter-ramsauer-rede-zum-taggegen-laerm.html?linkToOverview=js; Zugriff: 10.03.2014. [Ka09] Arnold, K.; et al.: Kaskadennutzung von nachwachsenden Rohstoffen: Ein Konzept zur Verbesserung der Rohstoffeffizienz und Optimierung der Landnutzung, Wuppertal Papers Nr. 180, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, August 2009, S. 23ff. [Kr08] Krick, B.: Untersuchung von Strohballen und Strohballenkonstruktionen hinsichtlich ihrer Anwendung für ein energiesparendes Bauen unter besonderer Berücksichtigung der Bauweise, Dissertation, kassel university press GmbH, Kassel, 2008, S. 151. [TA13] http://www.topagrar.com/news/Home-top-News-Das-ist-Ihr-Strohwert-1214069.html; Zugriff: 10.03.2014. [UBA14] http://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/verkehrslaerm/ Strassenverkehrslaerm; Zugriff: 10.03.2014. [Ze11] Zeller, V.; et al.: Schriftenreihe des BMU-Förderprogramms „Energetische Biomassenutzung“, Band 2: Basisinformationen für eine nachhaltige Nutzung landwirtschaftlicher Reststoffe zur Bioenergiebereitstellung. Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH (DBFZ), Leipzig, 2011, S. 16

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„Assistenz-Technologien zur Integration“ Preißler, Joachim1, Donkowa, Sophia 2, Hoff, Andreas3, Thiele, Gisela3, Lässig, Jörg1, Honekamp, Ivonne2, Honekamp, Wilfried1 1

2

3

Fakultät Elektrotechnik und Informatik, Hochschule Zittau/Görlitz Brückenstraße 1, 02828 Görlitz Preißler, Joachim: [email protected]

Fakultät Management- und Kulturwissenschaften, Hochschule Zittau/Görlitz Furtstraße 3, 02826 Görlitz Donkowa, Sophia: [email protected]

Fakultät Sozialwissenschaften, Soziale Gerontologie, Hochschule Zittau/Görlitz Furtstraße 2, 02826 Görlitz Abstract: Kernziel des Verbundprojekts „Assistenz-Technologien zur Integration“ ist die Weiterentwicklung der Verbreitung von AAL-Technologien sowie die Einrichtung einer Vertrauens-Plattform „Ambient Assisted Living“ als neuartiges Kommunikations-, Kooperations- und Integrationsmodell. Das Projekt „Assistenz-Technologien zur Integration“ steht für eine ganzheitliche Betrachtung der AAL-Thematik unter Berücksichtigung aller Stakeholder in Wissenschaft und Technologieentwicklung, Produktion und Vertrieb bis hin zum Endverbraucher. Dabei wird der gesamte Produkt-Lifecycle berücksichtigt.

1

Einleitung

Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung nimmt stetig zu. Im Bundesdurchschnitt ist gegenwärtig ein Fünftel der Bevölkerung 65 Jahre und älter. Prognosen gehen bis 2030 von einem Anstieg auf 29,5% aus. Dieser Trend wird besonders im Freistaat Sachsen spürbar, dem Bundesland mit der durchschnittlich ältesten Bevölkerung in Deutschland. Hier liegt der Anteil der 65-jährigen und älteren Menschen schon heute bei einem Viertel und ist damit der bundesweiten Entwicklung um ca. zehn Jahre voraus. Besonders rasch wachsen die Anzahl und der Anteil der über 80-Jährigen. Waren in Deutschland 2011 2,5 Millionen Menschen pflegebedürftig, wird bis 2030 mit einem Anstieg auf dann 3,36 Millionen gerechnet. Eine besondere Herausforderung ist dabei eine angemessene Versorgung der rasch steigenden Zahl von Demenzkranken. Landkreis Görlitz (Oberlausitz), Sachsen: Der o.g. Trend ist besonders im Landkreis Görlitz (Oberlausitz), spürbar. Im Kreis Görlitz (rund 263.000 Einwohner) ist bereits heute die Hälfte der Bevölkerung älter als 50 Jahre; 13 Prozent der Einwohner sind 75 Jahre und älter. Dieser Trend zur Alterung wird sich noch verstärken [St2011], [La12].

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Abb. 1: Bevölkerungsprognose für den Landkreis Görlitz von 2013 bis 2025 nach Altersgruppen (Quelle: 5. Regionalisierte Bevölkerungsprognose für den Freistaat Sachsen bis 2025)

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Fragestellungen und Ziele des Projekts

Das Projekt „Assistenz-Technologien zur Integration“ vereint die Ziele sozialer und wissenschaftlicher Innovation unter einem Dach: 1. Soziale Innovation: Einrichtung des Portals zur Verbesserung des Zugangs älterer Menschen zu vertrauenswürdigen, neutralen Informationen über assistive Technologien, die sich an ihren individuellen Bedürfnissen orientieren, mit dem Ziel erhöhter Lebensqualität und gesellschaftlicher Teilhabe durch Befähigung zur Selbständigkeit im gewohnten häuslichen Umfeld. 2. Wissenschaftliche Innovation: Aufbau, Pflege und Auswertung zweier einzigartiger Längsschnitt-Datensätze („Panel“ für die ältere Bevölkerung in der Region unabhängig von AAL-Nutzung und ein „Panel“ für die Nutzer/innen von „Assistenz-Technologien zur Integration“ zur statistischen Datenanalyse und Durchführung von Experten- und Fokusgruppeninterviews mit dem Ziel der Beantwortung folgender Fragestellungen: • Ist es möglich durch das Projekt „Assistenz-Technologien zur Integration“ Vertrauen in / die Akzeptanz von assistiven Technologien zu erhöhen? • Fühlen sich die Befragten durch „Assistenz-Technologien zur Integration“ gut und neutral informiert? • (Wie) Verändert das Projekt „Assistenz-Technologien zur Integration“ die Zukunftsplanung älterer Menschen (z.B. technische Wohnraumanpassung statt Umzug in betreutes Wohnen)?

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•  Gibt das Projekt „Assistenz-Technologien zur Integration“ den Nutzer/innen mehr Sicherheit im Umgang mit assistiven Technologien und hilft es bei der Entscheidungsfindung? • Verändert das erworbene Produkt die Lebensqualität und sozialen Teilhabemöglichkeiten der Nutzer/innen bzw. ihrer Angehörigen? • Wie verändern sich die o.g. Aspekte im Zeitverlauf (Längsschnittperspektive)? Das Projekt „Assistenz-Technologien zur Integration“ zeichnet sich zudem durch einen multidisziplinären Ansatz (Soziale Gerontologie, Gesundheitsökonomie, Informatik, Medizin), der quantitative und qualitative Methodologie kombiniert. Zugleich sind die sozialen Bedingungen in der Oberlaussitz in die Betrachtungen zu AAL-Technologien einzubeziehen; v.a. die Einkommenssituation. Die Oberlausitz ist eine strukturschwache Region, in der die durchschnittlichen Versichertenrenten unter dem Durchschnitt in Sachsen liegen, wie erste Analysen zeigen. Dabei ermöglichen Assistive Technologien Lebensqualität zu Hause bis ins hohe Alter: Es ist inzwischen unbestritten, dass die technische Ausstattung von Wohnraum in Zukunft eine deutlich größere Rolle bei Wohnraumanpassungen spielen wird. Das Spektrum assistiver Technologien reicht vom Einbau einfacher technischer Hilfen wie Bewegungsmelder und Infrarotsteuerungen über vernetzte, sensorgesteuerte Alarmund Assistenzsysteme, die unmittelbar Unterstützung bei der Pflegeleistung („Telecare“) oder Gesundheitsversorgung („Telehealth“) erbringen bis hin zu Technologien des intelligenten Wohnens (‚Smart Home Technologies‘). Älteren Menschen wird oft eine geringe Technikakzeptanz nachgesagt. Es ist jedoch inzwischen erwiesen, dass dies in hohem Maße davon abhängt, inwieweit die Bedürfnisse älterer Nutzer/innen bei Design und Usability technischer Produkte berücksichtigt wurden und ob deren Nutzung eingeübt werden kann. Das trifft auch auf kognitiv beeinträchtigte Personen, wie z.B. Demenzkranke, zu. Gelingt eine technikbasierte Wohnraumanpassung, erhöht dies die Autonomie und die Selbständigkeit älterer Menschen, die länger in vertrauter Umgebung wohnen können.

3 Methodik Der Informationszugang zu Varianten assistiver Technologien für potentielle Nutzer/ in nen wird in Form eines Online-Portals realisiert. Konkret wird das so aussehen, dass Informationssuchende auf der Website bestimmte physische/kognitive Einschränkungen oder ein Krankheitsbild eingeben können und Vorschläge zur technischen Wohnraumanpassung erhalten. Sie haben so die Möglichkeit, Technologien anhand von Pilotlösungen in Aktion zu betrachten, Informationen über aktuelle Entwicklungen aus erster Hand zu erhalten, bis hin zur Ansprache von gegenwärtigen Nutzer/innen entsprechender Technologien und der Vereinbarung von Besuchen von Pilotanlagen von Nutzer/innen vor Ort. Weiterhin können Interessent/innen AAL-Module aus einem Technologiebaukasten heraus selbst konfigurieren. Dieser wiederum wird durch Hersteller und Lieferanten

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gepflegt, die das Projekt „Assistenz-Technologien zur Integration“ als idealen Mediator zu potentiellen Kunden für sich nutzen können, so dass Informationssuchende auf diesem Weg Anschluss an die neuesten Entwicklungen halten. Methodische Realisierung des AAL-Panels: • Grundgesamtheit ermitteln (alle Personen, die älter als 65 Jahre sind) • Stichprobe von 1.000 Personen • 1. Befragung: zu Projektbeginn, vor Installation des Navigators • 2. Befragung: ½ Jahr nach der 1. Befragung, Panelteilnehmer/innen sind über Existenz informiert • 3. Befragung: ca. 1 Jahr nach dem Start des Projekts; Feststellung ob bereits erste Erfahrungen gemacht wurden • Vergleich der Erfahrungen der Nutzer/innen des Navigators mit Erfahrungen des AAL-Panels • Personen die sich für die Technologien entscheiden, werden über einen Zeitraum von 2 Jahren (jeweils halbjährlich) zu ihren Erfahrungen und den vermittelten assistiven Technologien befragt Weiterhin können Interessent/innen AAL-Module aus einem Technologiebaukasten heraus selbst konfigurieren. Dieser wiederum wird durch Hersteller und Lieferanten gepflegt, die das Projekt „Assistenz-Technologien zur Integration“ als idealen Mediator zu potentiellen Kunden für sich nutzen können, so dass Informationssuchende auf diesem Weg Anschluss an die neuesten Entwicklungen halten.

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Erwartete Ergebnisse und Innovationspotential

Der Nutzen und Neuwert des Projekts „Assistenz-Technologien zur Integration“ liegt in der Bereitstellung von auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittenen, vertrauenswürdigen Informationen über technische Assistenzsysteme für ältere Menschen und Angehörige. Das Projekt „Assistenz-Technologien“ trägt damit zur Erhöhung des Bekanntheitsgrads und der gesellschaftlichen Akzeptanz entsprechender Technologien sowie dem Abbau von Vorbehalten und Ängsten im Umgang mit assistiven Technologien bei: 1. Information: Das Projekt „Assistenz-Technologien zur Integration“ knüpft am weit verbreiteten Informationsdefizit zur technischen Wohnraumanpassung an und informiert umfassend über diesbezügliche Möglichkeiten. Ausgangspunkt der Beratung sind dabei individuelle Bedürfnisse älterer Menschen basierend auf gegebenenfalls vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen. Nutzer/innen erhalten dabei alles aus einer Hand: Informationen, Aufklärung, individuelle Vorschläge zu geeigneten Produkten, Kontakt zu Herstellern/Anbietern sowie die Möglichkeit des Austauschs mit existierenden Nutzer/innen assistiver Technologien. Das Projekt trägt so nicht nur zum Abbau vorhandener Barrieren ab; es verringert auch Suchund Informationskosten/-aufwand.

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2. Vertrauen: Das zweite zentrale Element des Projekts „Assistenz-Technologien zur Integration“ besteht in der Bereitstellung von vertrauenswürdigen Informationen, die frei von wirtschaftlichen Interessen sind. Da das Projekt „Assistenz-Technologien zur Integration“ von einer wissenschaftlichen Einrichtung (Hochschule Zittau/ Görlitz) in Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern (Görlitzer Geriatrie-Zentrum (GGZ), Geriatrie-Netzwerk Ostsachsen (GNO), Industrie- und Handelskammer (IHK) Görlitz) getragen wird, die keine wirtschaftlichen Interessen am Verkauf von assistiven Technologien bzw. darauf basierender Dienstleistungen haben, kann Senior/innen die jeweils am besten geeignete Technologie empfohlen werden. Hersteller und Lieferanten werden durch die Hochschule und Netzwerkpartner (IHK, GGZ und GNO) akkreditiert und auf die Gewährleistung einer an Kundenbedürfnissen orientierten, neutralen Beratung verpflichtet. So können Senior/innen und ihre Angehörigen darauf vertrauen, das auf ihre spezifischen Bedürfnisse/-Präferenzen am besten passende Angebot zu bekommen.

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Erfolgs- und Ergebnisaussichten

Aufgrund der Kombination der Projektpartner und deren Kompetenzen auf den Gebieten Sozialwissenschaften, Web-Entwicklung/Software-Engineering und Datenanalyse sowie der systematisierten und präzisen Zielvorgabe sind die Erfolgsaussichten dieses Projekts sehr hoch. Der Nutzen von „Assistenz-Technologien zur Integration“ ist zum einen für Hersteller als auch für Lieferanten und Endverbraucher als Netznutzer groß. Die Erfolgsaussichten des Forschungsvorhabens werden mithilfe der Einbeziehung und Vernetzung unterschiedlicher Akteure im Beirat erhöht. Die Teilnehmer des Beirats dienen als Multiplikatoren für die Ergebnisse des Projekts „Assistenz-Technologien zur Integration“. Mit dem Erfolg des Feldversuchs wird eine Ausweitung der Vertrauensplattform im Rahmen der Muster-Implementierung Oberlausitz, aber auch in anderen Gebieten angestrebt. Durch den Beirat wird das Konzept von „Assistenz-Technologien zur Integration“ schon während der Projektphase verbreitet. Somit sind weitere potentielle Anwender und Interessensträger frühzeitig über die Erfordernisse der Vertrauensplattform informiert, so dass eine Integration zeitnah vorbereitet werden kann. Ergebnisse und Nutzungsmöglichkeiten mit hoher Praxisrelevanz und entsprechende Handlungsempfehlungen werden mit Abschluss des Vorhabens während eines offenen Workshops vorgestellt und diskutiert. Die Forschungsergebnisse werden auf nationalen und internationalen Konferenzen sowie in Fachjournalen publiziert.

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Literaturverzeichnis [BM11] BMBF/VDE Innovationspartnerschaft AAL (Hrsg.): Ambient Assisted Living (AAL): Komponenten, Projekte, Services. Eine Bestandsaufnahme 3/2011, VDE-Verlag, Berlin, 2011 [BM12] BMBF/VDE Innovationspartnerschaft AAL (Hrsg.): Von eingebetteten zu soziotechnischen Systemen - Potenzial und Forschungsbedarf auf dem Gebiet der IT ... auf dem Gebiet der IT im AAL-Umfeld, 8/2012, VDE-Verlag, Berlin, 2012 [BM12a] BMBF/VDE Innovationspartnerschaft AAL (Hrsg.): Ambient Assisted Living – ein Markt der Zukunft: Potenziale – Szenarien – Geschäftsmodelle, 7/2012, VDE-Verlag, Berlin 2012 [De13] Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Statistik der Deutschen Rentenversicherung: Rentenbestand am 31. Dezember 2012, Band 192, Berlin Juli 2013 [Dr09] Driller, E., Karbach, U., Stemmer, P., Gaden, U., Pfaff, H., Schulz-Nieswandt, F.: Ambient Assisted Living: Technische Assistenz für Menschen mit Behinderung, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau, 2009 [Ge08] Georgieff, P.: Ambient Assisted Living. Marktpotenziale IT-unterstützter Pflege für ein selbstbestimmtes Altern, FAZIT-Schriftenreihe Band 17, MFG Stiftung Baden-Württemberg, Fraunhofer ISI, 2008; http://www.fazit-forschung.de/ ambient.html [La12] L andratsamt Görlitz, Dezernat für Gesundheit und Soziales: Sozialstrukturatlas. Landkreis Görlitz, 2. Auflage Görlitz 2012, www.integrierte-sozialplanung.de/ downloads/sozialstrukturatlas_2010_LK_GR_web.pdf [PSW12] Pohl, C., Sujata. U., Weyh, A.: Der zukünftige Bedarf an Pflegearbeitskräften in Sachsen. Modellrechnungen auf Kreisebene bis zum Jahr 2030 (IAB-Regional Sachsen 02/2012), Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, Nürnberg, 2012, http://doku.iab.de/regional/s/2012/ regional_s_0212.pdf [Ro13] Rosliwek-Hollering, M.: Ambient Assisted Living (Aal): ein Zukunftskonzept für die Wohnungswirtschaft?: Wie sich Wohnungsunternehmen den Herausforderungen des Demographischen Wandels stellen können, Diplomica Verlag, Hamburg, 2013 [St11] Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen: Landkreisinformation, Landkreis Görlitz, 2011, www.statistik.sachsen.de/download/010_GB-Bev/ LK_Goerlitz.pdf [VD08] VDE-Positionspapier „Intelligente Assistenz-Systeme im Dienst für eine reife Gesellschaft, Hrsg.: VDE – Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik e.V., 2008

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Deutungskonzepte freiwillig Engagierter in der häuslichen Begleitung von Menschen mit Demenz Theresa Hilse Fachbereich Sozialwesen Ernst-Abbe-Fachhochschule Jena Carl-Zeiss-Promenade 2 07745 Jena [email protected] Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag befasst sich mit freiwillig Engagierten als häusliche Akteure bei der Versorgung von Menschen mit Demenz. Die Spezifik der Studie besteht darin, das Feld der häuslichen Demenzversorgung über die Perspektive der Freiwilligen zu erschließen. Aus diesem akteurszentrierten Vorgehen ergibt sich die Fokussierung der Forschungsfrage auf die Deutungskonzepte freiwillig engagierter Menschen. Forschungsgegenstand sind Deutungen – i.S. subjektiver Konstruktionen – freiwillig Engagierter. An den Forschungsgegenstand schließt das qualitative Forschungsdesign an. Mittels einer Triangulation aus der Grounded-Theory-Methodologie und der objektiven Hermeneutik werden die Deutungen rekonstruiert. Eine theoretische Rahmung findet über Diskurse zu den Themen Demenzkonzepte, soziale Unterstützung sowie dem Welfare Mix statt.

1

Erkenntnisinteresse und Forschungsfrage

Das Promotionsvorhaben erschließt als soziologische Studie das Feld des Freiwilligenengagements in der häuslichen Begleitung von Menschen mit Demenz. Das Erkenntnisinteresse der Arbeit fokussiert die Deutungskonzepte der Freiwilligen in Koproduktion mit dementen Menschen, pflegenden Angehörigen und Fachkräften. Der Begriff der Koproduktion verdeutlicht den Konstruktionsprozess von Hilfearrangements und zielt auf eine gemeinsame, integrative Herstellung von Versorgung [vgl. Pl07]. Deutungskonzepte freiwillig Engagierter in der häuslichen Versorgung eines Menschen mit Demenz werden zum zentralen Forschungsgegenstand. Die vom Erkenntnisinteresse abgeleitete Forschungsfrage lautet folgendermaßen: „Wie deuten freiwillig Engagierte ihre Tätigkeit im häuslichen Handlungsfeld Demenz?“ Mit der Forschungsfrage sind zwei Grundannahmen verbunden, die das gesamte Design determinieren: (1.) Ein Konzept von „Deutung“, das Deutung in einem phänomenologischen Sinne als subjektiven wie intersubjektiven Konstruktionsprozess erfasst und damit auf die Dialektik gesellschaftlicher Wirklichkeit zwischen Subjekt und Gesellschaft hinweist [BL00]. (2.) Eine Heuristik des Handlungsfeldes Demenz, das als Koproduktionsdreieck1 zwischen Familien,

1 Die Heuristik eines Koproduktionsdreiecks wurde im Projekt „KoAlFa - Koproduktion im Welfare Mix der Altenarbeit und Familienhilfe“ entwickelt, in dem die Dissertation eingebettet ist. KoAlFa wird vom BMBF im Programm „Silqua-FH“ von 2011–2014 (Förderkennzeichen 17S0X11) gefördert, die Leitung liegt bei Prof. Dr. M. Opielka, Forschungspartner ist Prof. Dr. U. Otto von der FHS St. Gallen (http://koalfa.sw.fh-jena.de/).

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Fachkräften und Freiwilligen konstruiert wird. Es wird davon ausgegangen, dass im „Handlungsfeld Demenz“ vier wesentliche Akteure agieren: die dementen Menschen, die Familien, die Freiwilligen und die Fachkräfte. Erst eine Vernetzung zwischen den letzten drei Akteuren ermöglicht es, bedürfnisgerechte Hilfen bereitzustellen und keinen Akteur zu überlasten. Analog zu den zwei Grundannahmen sind zwei Analyseebenen der Promotion begründet. Eine Analyseebene bezieht sich auf die Kontextbedingungen der Deutung. Sie wird „Deutungsrahmen“ genannt. Hiermit wird das subjektive Referenzsystem [Sc93] der Freiwilligen, das sich wesentlich an den subjektiven Erfahrungen orientiert und die Grundlage für Deutungskonzepte darstellt, erfasst und nach Motivation, Vorerfahrung, Selbstdeutungen etc. gefragt. Eine zweite Analyseebene spricht das „Handlungsfeld Demenz“ an. Hierbei sind die Deutungen der Freiwilligen hinsichtlich der einzelnen Akteure und der Interaktion mit diesen relevant. Folgende Fragen werden u.a. an das empirische Material herangetragen: Wie werden die Akteure Familie, Fachkräfte und Menschen mit Demenz von den Freiwilligen wahrgenommen? Inwieweit wirken die anderen Akteure auf die Freiwilligen ein? Ziel dieser Studie ist es, zu analysieren, welche Deutungen die Freiwilligen vom „Handlungsfeld Demenz“ und den einzelnen Akteuren haben, um das Feld aus dieser Perspektive zu erschließen. Weiterhin soll mit dem hier dargestellten Vorgehen die Diskussion um Freiwilligenengagement in der Demenzversorgung resp. Pflege um die Akteursperspektive erweitert werden. Denn allzu oft entsteht der Eindruck, dass in wissenschaftlichen wie politischen Diskursen über Perspektiven verhandelt wird, ohne jedoch die betreffenden Akteure einzubeziehen [vgl. Ja93].

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Heuristischer Theorierahmen

Mit dem Theorierahmen der Promotion wird an das zentrale Konzept der Deutung angeknüpft und aktuelle gesellschaftliche Diskurse auf Deutungskonzepte hinsichtlich Demenz und der häuslichen Demenzversorgung sowie dem Freiwilligenengagement bei Demenz untersucht und zusammengefasst. Nachfolgend sollen die Pluralität des Engagementbegriffs und das diskutierte Konzept von Demenz als Deutungsangebote aufgegriffen und beispielhalf skizziert werden. (1.) Die wissenschaftliche Diskussion zum Thema „Engagement“ zeichnet sich aufgrund einer Pluralität der Engagementdefinition aus. Dies wird in unterschiedlichen Konzepten, wie utilitaristische Konzeptionen oder von Gemeinsinn dominierte Konzepte sowie aufgrund verschiedener Semantiken – sei es Ehrenamt, bürgerschaftliches Engagement oder zivilgesellschaftliches Engagement etc. – deutlich. Hierzu gilt es sich zu positionieren. In der Promotion wird der Terminus des Freiwilligenengagements verwendet. Dieser integriert die Kriterien der Enquete-Kommission für die Bestimmung von Engagement [EK00], betont aber den Charakter der Freiwilligkeit. Mit dem Begriff „freiwillig“ wird ein Handlungsmodus fokussiert und das individuelle Moment der Motivation für ein Engagement wird deutlicher gefasst. (2.) Ähnlich wie Engagement wird auch Demenz unterschiedlich konzipiert. Neben medialen Inszenierungen von Demenz mit starken

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Bildern wie „verwelken“ und „die Rückkehr zum Kindlichen“ ist ein derzeit dominantes Konzept von Demenz, das der Erkrankung. Mit dem Prozess der Demenzdiagnose durch Mediziner und der weiterführenden Hilfen, die zumeist pflegerisch konzipiert sind, werden eine Vielzahl von Deutungskonzepten über Demenz und die Demenzversorgung transportiert, die auch in der Praxis agierende Akteure beeinflussen. Hinzu kommen disziplinäre – medizinische, pflegerische, psychosoziale etc. – Spezifika von Demenzkonzepten, so wird Demenz in der Pflege vor allem über die Pflegestufen und den Pflegebedürftigkeitsbegriff nach §14 SGB XI konzipiert.

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Forschungsdesign

Das qualitativ-empirische Vorgehen der Promotion erschließt sich aus der Fokussierung der Forschungsfrage auf die Deutungskonzepte der Freiwilligen. Für die Erhebung wird das episodische Interview [Fl11] herangezogen und entsprechend der Methode des theoretical Samplings vorgegangen [SC96]. Das episodische Interview stellt eine Art des Leitfadeninterviews dar und zielt auf die wechselseitige Generierung semantischen und episodischen Wissens. Dementsprechend setzt es sich aus einer Kombination von situativ-episodischen Erzählungen sowie konkreten Nachfragen, nach dem – aus Episoden abgeleiteten – begrifflich und regelorientierten Wissen zusammen. Die Auswertung erfolgt innerhalb einer Triangulation aus dem Kodierverfahren der Grounded-Theory-Methodologie [SC96] und der Sequenzanalyse der objektiven Hermeneutik [Oe96]. Hinsichtlich der Triangulation wird mit Hildenbrand [Hi04] argumentiert. Er konstatiert, dass die Grounded Theory und die objektive Hermeneutik ein gemeinsames Ziel mit unterschiedlichen Wegen verfolgen. In dieser Studie wurde folgendermaßen trianguliert: Die Sequenzanalyse kam bei prägnanten Passagen des verschriftlichten Materials, wie Eingangspassagen, Passagen kommunikativer Brüche und Verunsicherungen zum Einsatz. Der Rest des Interviewtranskripts wurde mittels Kodierverfahren analysiert. Aus der rekonstruktiven Analyse wurde ein umfangreiches Kategoriensystem erarbeitet. Außerdem wurde jedes der acht Interviews in einem Fallportrait zusammengefasst. Die Fallportraits dienen der Strukturierung der komparativen Analyse.

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Teilergebnisse

Erste Ergebnisse aus dem Forschungsprozess lassen erkennen, dass Freiwillige ihr Engagement als eine Tätigkeit in einer Beziehungstriade zwischen sich selbst, den pflegenden Angehörigen und den Menschen mit Demenz deuten. Die Konstitution der Triade verweist darauf, dass sich diese aus drei Dyaden zusammensetzt, innerhalb dieser ein Akteur stets ausgeschlossen ist. Hieran wird das strukturelle Problem des ausgeschlossenen Dritten deutlich. Ausgehend von den drei Dyaden, insbesondere den Dyaden Freiwillige-Familie und Freiwillige-Mensch mit Demenz werden je verschiedene Handlungslogiken erfasst. Aus dem Material der Promotion ergibt sich, dass die

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Beziehung zwischen Freiwilligen und Familie bspw. durch das Aushandeln der Struktur des Engagements geprägt ist. Die Dyade zwischen Freiwilligen und Mensch mit Demenz zeichnet sich durch eine Gleichzeitigkeit von Kontinuität und Dynamik aus. Frau Römer2, eine befragte Freiwillige, schilderte in den Erzählungen über ihr Engagement, dass sie mit der Tätigkeit gewachsen sei, indem sie bspw. sensibel für die Bedürfnisse der dementen Frau wurde. „das ging dann nach ner Weile schon ganz gut aber am Anfang war das schon befremdlich“(Römer, Zeile 417–418). Im Gegensatz zu ihrer eigenen Dynamik erlebte Frau Römer die demente Frau in einem Rhythmus des ständigen Beginnens: „man hat halt wirklich äh immer bei null oder eins wieder angefangen“ (Römer, Zeile 966). Andere Freiwillige beschreiben, dass sie ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Kontinuität bei den Menschen mit Demenz wahrnehmen. Diese Polarisierung von Dynamik auf Seiten der Freiwilligen und Kontinuität auf Seiten der Menschen mit Demenz ist nicht als starr zu betrachten. Trotz des zugeschriebenen Kontinuitätsbedürfnisses erleben die Freiwilligen auch bei sich ein Bedürfnis nach Kontinuität: „es war auch immer schön zu wissen dass man sich darauf einstellen kann was kommt im Grunde“ (Tief, Zeile 799–800). Im Zitat von Herrn Tief wird deutlich, dass die Kontinuität eine Erwartbarkeit von Ereignissen zur Folge hat, die ihm Sicherheit vermittelt. Weiterhin erleben die Freiwilligen eine Dynamik bei den Menschen mit Demenz. Diese Dynamik drückt sich vor allem in den wechselnden Gemütszuständen aus. „das ist ähm man muss auch darauf eingehen (.) wie man sie antrifft“ (Paul, Zeile 534). Die Freiwilligen müssen entsprechend auf variierende Bedürfnislagen reagieren. Die Kategorie der Dynamik und Kontinuität verdeutlicht die Beziehung zwischen Freiwilligen und Menschen mit Demenz. Das Gesamtkategoriensystem der Promotion erfasst ebenso die Beziehung zur Familie und zu den Fachkräften.

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Die hier angegebenen Namen der befragten Freiwilligen wurden anonymisiert.

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Literaturverzeichnis [BL00]

 erger, P. L.; Luckmann, T.: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit – B Eine Theorie der Wissenssoziologie. Fischer,Frankfurt a.M., 5. Aufl., 2000 [EK00] Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ Deutscher Bundestag (Hg.). Bericht: Bürgerschaftliches Engagement – Auf dem Weg in eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft. Leske + Budrich, Opladen, 2002. [Fl11] Flick, U.: Das Episodische Interview. In (Oelreich, G.; Otto, H.U. Hg.): Empirische Forschung und Soziale Arbeit–Ein Studienbuch. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2011; S. 273–280 [Hi04] Hildenbrand, B.: Gemeinsames Ziel, verschiedene Wege–Grounded Theory und objektive Hermeneutik im Vergleich.Sozialer Sinn, Heft 2, 2004; S. 177–194. [Ja93] Jakob, G.: Zwischen Dienst und Selbstbezug–Eine biographieanalytische Untersuchung ehrenamtlichen Engagements. Leske + Budrich (Biografie und Gesellschaft, 17), Opladen, 1993 [Oe96] Oevermann, U.: Konzeptualisierung von Anwendungsmöglichkeiten und praktischen Arbeitsfeldern der objektiven Hermeneutik. Manifest der objektiv hermeneutischen Sozialforschung. Frankfurt a. M. Online verfügbar unter www.kunstlinks.de/material/Manifest-1996.rtf, zuletzt aktualisiert am 25.10.2013 [Pl07] Plemper, B. et al.: Gemeinsam Betreuen.IN (Roder Bosch Stiftung Hrsg.): Gemeinsam für ein besseres Leben mit Demenz. Verlag Hans Huber, Bern, 2007 [Sc93] Schütz, A.: Der Sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 6. Aufl., 1993 [SC96] Strauss, A. L.;Corbin, J.: Grounded Theory – Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Beltz, Psychologie Verlags Union, Weinheim, 1996

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Charakterisierung eines thermoformbaren Resistmaterials für die Nanoimprint-Lithographie Steffi Proschwitz, Daniel Schondelmaier Fachgruppe: Nanotechnologie und funktionelle Oberflächen Westsächsische Hochschule Zwickau Dr.-Friedrichs-Ring 2A 08056 Zwickau [email protected] Abstract: Die Nanoimprint-Lithographie (NIL) bietet Zugriff auf eine kostengünstige Replikation von Nano- und Mikrostrukturen. Dafür müssen leistungsfähige Resistmaterialien entwickelt und geprüft werden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Charakterisierung des neuartigen, thermoformbaren Resistmaterials „SiPol“ (bereitgestellt durch die Firma micro resist technology GmbH, Berlin). Es werden die grundlegenden Aspekte der Schichtpräparation und die Bestimmung der dynamischen Kontaktwinkel aufgezeigt. Zur Einschätzung der praktischen Leistungsfähigkeit werden anschließend Strukturen im Mikro- und Nanometerbereich mittels thermischer NIL repliziert. Deren Qualität wird mittels Untersuchungen am Rasterelektronenmikroskop (REM) evaluiert.

1

Motivation

Funktionelle Oberflächen mit z.B. selbstreinigenden oder beschlaghemmenden Eigenschaften rücken zunehmend in den Fokus der Industrie. Hierfür werden Herstellungsverfahren benötigt, die eine wirtschaftlichen Produktion ermöglichen und Strukturgrößen im Mikro- und Nanometerbereich realisieren können. Die Nanoimprintlithographie (NIL) ermöglicht dies. Im Vergleich zu konventionellen Lithographie-Verfahren sind deutlich weniger Prozessschritte erforderlich, woraus eine kostengünstigere Replikation der Originalstruktur folgt. Die Auflösung hängt u.a. von den Eigenschaften des thermoformbaren Polymers ab, in welches die Struktur übertragen wird [Bh07]. Neuentwicklungen im Bereich dieser Resistmaterialien sollen die Nutzung der NIL vorantreiben und das Potenzial der Technologie ausschöpfen. Der im Fokus dieser Arbeit stehende Resist SiPol von micro resist technology GmbH weist eine hohe Resistenz gegenüber reaktiven Ionenätz-Prozessen mit Sauerstoffplasmen auf, was die Herstellung von Strukturen mit einem Aspektverhältnis von über 10 ermöglicht [Me12]. Dieser neu entwickelte Resist soll bezüglich der Schichtpräparationsparameter, des Kontaktwinkels sowie der erreichbaren Replikationsqualitäten im Rahmen der Nanoimprintlithographie charakterisiert werden.

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Grundlagen und Voruntersuchungen

2.1 Prinzip der Nanoimprint-Lithographie Die Nanoimprint-Lithographie beinhaltet die Replikation einer Struktur („Original“) in ein thermoplastisches Polymer (Resist). Dabei wird der strukturierte Stempel in einen auf dem Substrat abgeschiedenen Resistfilm mechanisch abgeformt. Diese strukturierte Schicht kann im Anschluss beispielsweise als Ätzmaske oder als funktionelle Beschichtung dienen. Im Vergleich zu den herkömmlichen Lithographie-Verfahren der Mikrosystemtechnik, wie z.B. optische oder Elektronenstrahl-Lithographie, bietet die Nanoimprint-Technologie eine kostengünstige Alternative der Produktion von Strukturen mit einer Auflösung im Nanometerbereich. Das Prinzip des Prozesses ist in Abbildung 1 gezeigt. Schritt 1:

Schritt 2:

Schritt 3:

Stempel wird in Polymer gepresst Stempel

Strukturierung des Polymers

Entfernen des Stempels

Resist Substrat

Abbildung1: Prinzip der Nanoimprintlithographie Vor dem eigentlichen Imprintprozess wird das Resistmaterial durch Spincoating (siehe Kapitel 2.2) auf das Substrat aufgetragen. Nach Trocknung der Resistschicht werden Substrat und Stempel übereinander positioniert. Das System wird 50°C bis 90°C über die Glasübergangstemperatur des Resist erwärmt [Gu07]. Danach wird der Stempel bei einem definierten Druck in den Resist gepresst. Im Anschluss folgen ein Abkühlschritt und das Entformen des Stempels vom strukturierten Substrat. Die Auflösung der erzielten Strukturgröße wird hauptsächlich durch die Eigenschaften des Resists und die Stempel-Geometrie bestimmt.

2.2 Schichtpräparation Um eine homogene Polymerschicht auf dem Substrat (Silizium-Wafer mit Durchmesser 100  mm) zu erzeugen, wird das Spincoating-Verfahren (Abbildung 2 a) verwendet. Der Resist wird bei verschiedenen Drehzahlen im Spincoater aufgeschleudert und dann einem fünfminütigen Softbake bei 105°C ausgesetzt. Danach erfolgt die Schichtdickenbestimmung an einer gezielt prozessierten Stufe in der Resistschicht mit einem taktilen Profilometer (Dektak 150, Veeco Instruments GmbH). Auf jedem Wafer wir eine Dreifach-Messung auf acht definierten Messpunkten ausgeführt, um die mittlere Schichtdicke des Resists zu bestimmen. Die Versuche haben ergeben, dass die

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Zielschichtdicke von 4 µm bei einer Schleuderdrehzahl von 3000 min-1 erreicht wird (Abbildung 2 b) [Bl13]. Aufbringen der

strom

resultierende

resultierende Resistschicht Resistschicht

14

radialer

radialer FlüssigkeitsFlüssigkeitsstrom strom

14

Resistdicke in µm

Aufbringen der Resistlösung Resistlösung

Resistdicke in µm

radialer radialer FlüssigkeitsFlüssigkeitsstrom

12 10

Substrat Substrat

12 10

8 8 6 6 4 4

2 2 0 0 1 1 2 2 3 34 453 56 6 a) Drehzahl in3/min 10 /min b) b) Drehzahl in 10 Abbildung 2 a) schematische Darstellung des Spincoating-Vorgangs Abbildung 2 a) schematische Darstellung des Spincoating-Vorgangs Abbildung2 a) schematische Darstellung des Spincoating-Vorgangs, b) Schleuderkurve für b)b)Schleuderkurve fürfür denden Resist SiPol Schleuderkurve Resist SiPol den Resist SiPol Rotation Rotation

2.3 Charakterisierung des Benetzungsverhaltens Die Ermittlung des Fortschreitwinkels ist eine reproduzierbare Methode mit der direkt die Benetzbarkeit und indirekt die freie Oberflächenenergie einer Festkörperoberfläche bestimmt werden kann. Wird bei der Verwendung von Wasser als Testflüssigkeit ein Kontaktwinkel von 0° ≤ θ ≤ 90° gemessen, so wird die Oberfläche als hydrophil bezeichnet. Liegt der Kontaktwinkel zwischen 10° und 80° erfolgt eine partielle Benetzung der Oberfläche durch die Flüssigkeit [Se08]. Hydrophobie zeichnet sich durch Kontaktwinkel zwischen 90° < θ ≤ 180° aus. Ist der Kontaktwinkel größer als 140° und beträgt die Hysterese zwischen Fortschreit- und Rückzugswinkel weniger als 10°, so wird die Oberfläche als superhydrophob bezeichnet [Vi07]. 100

dynamischer Kontaktwinkel dynamischer Kontaktwinkel in in ° °

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100

Rückzugswinkel Rückzugswinkel Fortschreitwinkel

95

Fortschreitwinkel

95

90

90

85

85

80

80

75

0

75

20

40

60 80 Messzeit in s

0 20 40 60 80 Abbildung 3: dynamische Kontaktwinkelmessung Messzeit in s

100

100

120

140

120

140

Um das Benetzungsverhalten der präparierten Schicht des vorliegenden Resists zu charakterisieren wird eine dynamische Kontaktwinkelmessung durchgeführt. Als

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Testflüssigkeit wird Reinstwasser verwendet. Während der Messung wird ein vorgelegter Tropfen (Volumen 5 µl) mit einem konstanten Volumenstrom vergrößert (Fortschreitwinkel) bzw. verkleinert (Rückzugswinkel). Ein repräsentatives Ergebnis dieser Untersuchungen ist in Abbildung 3 dargestellt. Der Fortschreitwinkel ergab sich im Bereich von 5 s bis 60 s zu 94,5° und der Rückzugswinkel im Bereich von 60 s bis 120 s zu 80,9° [Bl13]. Daraus resultiert eine Kontaktwinkelhysterese von 13,6°.

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Durchführung und Bewertung der Replikationen

In den vorliegenden Untersuchungen dient ein mittels Elektronenstrahllithographie strukturierter Silizium-Wafer (Substratdurchmesser 100 mm) als Positiv-Struktur (Original). Dieser wird in Polydimethylsiloxan „PDMS“ (ELASTOSIL® RT 601, Wacker) abgeformt (Negativ-Struktur) und bildet einen „weichen“ Stempel, welcher eine Replikation der Positiv-Struktur ermöglicht. Durch die Verwendung von PDMS ist keine zusätzliche Antihaftbeschichtung des Stempels nötig, um ein einfaches Entformen vom Substrat nach dem Imprint zu gewährleisten. Für die Imprint-Versuche wird ein Siliziumwafer (Durchmesser 100  mm) gewählt, auf dem sich eine 4 µm dicke SiPol-Resistschicht befindet. Der Imprint-Druck wird dabei zu 4,5 bar festgelegt. Die Qualität der replizierten Strukturen wird mit dem Original bzw. dem angefertigten Stempel mittels REM-Untersuchungen verglichen. Für diese Untersuchungen wird auf die geprägten Resist-Strukturen eine ca. 10 nm dicke Goldschicht durch Magnetronsputtern abgeschieden.

3.1 Variation der Imprint-Temperatur zur Optimierung des Imprint-Ergebnisses Für die Beurteilung des Einflusses der Prozesstemperatur auf die Imprint-Ergebnisse werden REM-Aufnahmen einer Linienstruktur im Vergleich mit dem verwendeten „weichen“ Stempel betrachtet.

Abbildung4: Vergleich der Imprint-Temperaturen [Bl13]

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Abbildung 4 vergleicht Linienstrukturen, die bei verschiedenen Imprint-Temperaturen geprägt wurden. Die hergestellten Strukturen zeigen eine gute laterale Abformgenauigkeit im Vergleich mit der Stempel-Struktur [Bl13]. Da das Fließverhalten des thermoformbaren Polymers maßgeblich von der Temperatur abhängt, ist ein vollständiges Einsinken des Stempels erst ab einer Imprinttemperatur möglich, die ca. 50°C über der Glasübergangstemperatur liegt [Gu07]. Durch den auf den Stapel wirkenden Druck kommt es auch bei geringeren Temperaturen (Abbildung 4 a) zu einer Abformung der Struktur des Stempels, wobei die Gräben wesentlich flacher ausgebildet sind. Die bei 100°C geprägte Struktur zeigt exaktere Kanten an den Grabenflanken und es ist eine defektfreie Abformung zu erkennen. Der Imprint bei 125°C zeigt hingegen ineinander laufende Gräben und somit nur eine ungenügende Musterübertragung. Aufgrund der hier diskutierten Versuchsergebnisse wird die optimale Imprint-Temperatur des SiPol-Resists für die Replikation der genutzten Teststrukturen zu 100°C bei einer Haltezeit von 15 min definiert.

3.2 Bestimmung der Auflösung des Imprint-Prozesses Im folgenden Kapitel soll die Abformgenauigkeit mit Hilfe replizierter Siemenssterne bewertet werden. Der Siemensstern ist ein kreisförmiges Muster zur Einschätzung des Auflösungsvermögens von optischen Systemen. Er kann auch verwendet werden, um die Qualität replizierter Strukturen zu beurteilen. Der Stern besteht aus n Segmenten, die vom Kreisrand zum Kreiszentrum spitz zulaufen. Die absolute Auflösung Δa abs berechnet sich nach [Hi07] zu Δa abs= (πd innen)/n wobei d innen den Durchmesser der kleinsten auflösbaren Struktur (im optischen Zusammenhang als „Grauring“ bezeichnet) beschreibt.

Abbildung 5: replizierter Siemensstern mit 180 Segmenten [Bl13] Um eine qualitative und quantitative Einschätzung der erzeugten Strukturen zu treffen, wurden REM-Aufnahmen von replizierten Siemenssternen angefertigt, die mit den

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in Kap. 3.1 definierten optimalen Prozessparametern hergestellt wurden. Die Aufnahmen zeigen eine gleichmäßige und fehlerfreie Abformung der strahlenförmigen Strukturen bis hin zum in Abbildung 5 beispielhaft gekennzeichneten Innendurchmesser. Im Rahmen der Versuche konnte eine mittlere Auflösung von 276 nm erreicht werden. Die auf diese Weise bestimmte Auflösung ist der Grenzwert der minimal möglichen Periodenlänge, die ein Gitters besitzen kann, welches durch den beschriebenen Prozess hergestellt wird. Eine REM-Aufnahme mit höherer Vergrößerung (siehe Abbildung 5) zeigt auch im Bereich innerhalb des vermessenen Innendurchmessers eine Strukturierung des Resistmaterials. Untersuchungen des weichen Stempels und des Originals ergaben, dass die replizierten Defekte teilweise schon auf dem Original und dementsprechend auch auf dem Stempel auftraten. Daraus folgt, dass die Abformgenauigkeit maßgeblich durch die Qualität der Originalstruktur beeinflusst wird.

4 Zusammenfassung Der Resist SiPol wurde bezüglich der Schichtpräparationsparameter, des Kontaktwinkels sowie der im Rahmen der Nanoimprint-Lithographie erreichbaren Replikationsqualität charakterisiert. Um eine homogene, 4 µm dicke Polymerschicht zu erzielen, wird der Resist bei einer Schleuderzeit von 30 s und einer Drehzahl von 3000 min-1 auf den Silizium-Wafer aufgebracht. Die Messungen der Kontaktwinkel ergeben, dass der Fortschreitwinkel von Reinstwasser auf dem mit SiPol beschichteten Wafer 94,5° beträgt. Die Kontaktwinkelhysterese wird zu 13,6° ermittelt. Daraus folgt, dass durch eine geeignete Strukturierung superhydrophobes Verhalten hervorgerufen werden kann. Ein optimales Imprint-Ergebnis wird bei einem Druck von 4,5 bar mit einer Imprint-Temperatur von 100°C und einer Haltezeit von 15 min erzielt. Dabei kann eine absolute Auflösung der hergestellten Strukturen (Periodenlänge eines Gitters) von 276 nm definiert werden. Die Besonderheit des hier vorgestellten Prozesses liegt in der Kombination von einem weichen Stempel mit einer geringen Imprinttemperatur sowie eines vergleichsweise kleinen Druckes. Auf diese Weise ist eine Strukturierung von empfindlichen Substraten wie z.B. Polymerfolien und organischen Schichten möglich.

Literaturverzeichnis [Bh07] Bhushan, B. (Hrsg): Handbook of Nanotechnology. Springer-Verlag, 2007. [Bl13] Block, S.: Charakterisierung und Pilotversuche zu einem thermoformbaren Resistmaterial für die Nanoreplikation. Masterarbeit, Westsächsische Hochschule Zwickau, 2013. [Gu07] Guo; L. J.: Nanoimprint lithography: methods and material requirements. Adv. Mat. 19, 2007. [Hi07] Hild, R.: Anwendung eines Siemensstern als Kalibriernormal. DgaO Proc., 2007. [Me12] Messerschmidt, M.; et al.: Thermal nanoimprint resist for the fabrication of high-aspect-ratio patterns. Microelectr. Eng. 98, 2012.

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[Se08] Sepeur, S.: Nanotechnologie: Grundlagen und Anwendungen. Vincentz Network, 2008. [Vi07] Viel, B.: Strukturierte Kolloidpartikel für ultrahydrophobe, schmutzabweisende Oberflächen. Dissertation, TU Darmstadt, 2008.

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Experimentelle Untersuchungen mit einem modifzierten Thermotribometer und deren Bedeutung in angewandten, technischen und tribologischen Fragestellungen M.Sc. Mirjam Bäse, Prof. Dr.-Ing. Uwe Winkelmann Fachbereich für Ingenieurwissenschaften und Industriedesign, Institut für Maschinenbau Hochschule Magdeburg-Stendal Breitscheidstraße 2, 39114 Magdeburg 39114 Magdeburg [email protected] [email protected] Abstract: Der vorliegende Bericht stellt Ergebnisse aus Untersuchungen an ölgeschmierten Lamellenreibbelägen vor. Das Versuchsprogramm umfasste zum einen Experimente hinsichtlich des Reibungsverhaltens der Lamellenreibbeläge. Zum anderen wurde auch das für die Kühlung der Lamellenreibbeläge notwendige Getriebeöl in einem modifizierten Thermotribometer TTM03* untersucht. Die Ergebnisse zeigen Korrelationen der Reibung in den ölgeschmierten Lamellenreibbelägen und der Schmierstoffreibung im Kühlschmierstoff.

1 Einleitung Die durch Reibung, Verschleiß und Korrosion entstehenden Verluste betragen in Deutschland jährlich ca. 35 Milliarden Euro. Aufgrund von tribologischen Entwicklungsarbeiten können durch verbesserte Anwendungen geschätzt 5 Milliarden Euro eingespart werden1. Des Weiteren sind derzeitige industrielle Forschungsziele in der Ressourcenschonung und der Intensivierung von umweltschützenden Maßnahmen zu sehen. Diesen vorliegenden politischen sowie wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fragestellungen soll durch Verbesserung des Reibungs-, Verschleiß- und Betriebsverhaltens von technischen Baugruppen entgegnet werden. Hier werden ölgeschmierte Fahrzeugkupplungen betrachtet, wie sie auch in automatisch geschalteten Getrieben zum Einsatz kommen. Die Fahrzeugkupplung ist ein Schaltelement, durch das im Betrieb zwischen Motor und Getriebe ein Momentenfluss hergestellt und wieder getrennt werden kann. Aufgrund von Betriebsbedingungen, wie z. B. Relativgeschwindigkeiten, Belastungen und Temperaturen, sind die am Schaltprozess beteiligten Elemente tribologischen Beanspruchungen im Systemkomplex des Getriebes ausgesetzt und tragen aufgrund ihrer Beschaffenheit und Eigenschaften in unterschiedlichen Relationen 1  BMU: Umweltwirtschaftsbericht 2011. Daten und Fakten für Deutschland. Umweltbundesamt, Berlin, 2011.

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zu Energie- und Materialverlusten bei. Eine wesentliche und oft unterschätzte Rolle nimmt hierbei der Schmierstoff als tribologischer Wirkpartner ein. Die vorliegenden Untersuchungen sollten deshalb zur Charakterisierung dieses Systemelementes dienen und einen Beitrag zur Weiterentwicklung und tribologischen Optimierung des Gesamtsystems der ölgeschmierten Kupplung leisten.

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Modifiziertes Thermotribometer TTM03* und Versuchsschema

Führt man die ölgeschmierte Kupplung auf eine einfache Reibpaarung zurück, so lässt sich die Lamellenpaarung als allgemeines tribologisches System beschreiben. Bezogen auf die Kupplung sind das die Stahllamelle als Grundkörper, die Belaglamelle als Gegenkörper und das für die Kühlung der Kupplung notwendige Getriebeöl als Zwischenstoff, die sich in Luft als Umgebungsmedium befinden (Bild 1).

Bild 1: Untersuchtes tribologisches System Die ölgeschmierten Lamellenreibbeläge unterliegen, bedingt durch den im Beanspruchungskollektiv wirkenden Schmierstoff, im Betrieb einer Mischreibungsbeanspruchung. Anteilig wirken hier Festkörper- und Flüssigkeitsreibungskräfte nebeneinander im System. Die Festkörperanteile entstehen durch die berührungsbedingte Deformation der mikroskopisch kleinen Rauheitspitzen, die im geschlossenen Kupplungsbetrieb grundsätzlich einer Belastung und einer Relativbewegung ausgesetzt sind. Dafür ist der Durchbruch des Schmierstoffes keine notwendige Voraussetzung. Die Flüssigkeitsreibungsanteile sind bedingt durch die im Schmierstoff wirkenden Scherkräfte. In den vorliegenden Untersuchungen wurden die im Getriebeöl wirkenden Reibungskräfte unter extremen Betriebsbedingungen getestet. Dazu kam ein eigens aufgebautes und modifiziertes Thermotribometer TTM03* zur Anwendung2,3. Das Thermotribometer TTM03* baut auf der bekannten Vier-Kugel-Apparatur auf. Im Unterschied zu diesem Versuchsaufbau werden hier die eingestellten Versuchsbedingungen über die Versuchsdauer konstant gehalten. Der mechanische Aufbau besteht aus einem Antrieb, einem Prüfraum und einem feststehenden Abtrieb. Der Prüfraum beinhaltet drei feststehende Kugeln und den zu untersuchenden Schmierstoff. Eine weitere Kugel, die

2 Fleischer, G.; Müller H. G.; Lorenz, P.: Das Thermo-Tribometer TTM 03 - Ein Ergebnis interdisziplinärer wissenschaftlich-technischer Zusammenarbeit an der TH Magdeburg. Schmierungstechnik, Berlin 18 (1987) 4, S. 105–107. 3

Bäse, M., Winkelmann, U.: Characterization of different lubricating oils with a modified thermotribometer. HAW-Hamburg, 9th Arnold-Tross-Kolloquium, Hamburg, 2013

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fest mit dem Antrieb verbunden ist, steht im Prüfbetrieb mit den im Prüfraum fixierten Kugeln in Kontakt. Der Prüfraum ist dabei über drei Stahlseile mit einer Hohlbuchse verbunden, welche auf einer Scheibe gelagert ist. Die Scheibe steht mit einer Gehäusebuchse in Kontakt, die wiederum die Antriebswelle über Wälzlager aufnimmt. Zwischen Scheibe und Gehäusebuchse wurden drei Kraftsensoren integriert, wodurch es möglich ist die aufgebrachte Last exakt einzustellen. Während eines Prüfbetriebes werden die Kugeln miteinander in Kontakt gebracht und mittels Gewichten belastet. Aufgrund der Seilverbindung des Prüfraumes mit der Hohlbuchse, wird über die Scheibe und die mit dem Gehäuse verbundenen Buchse ein geschlossener Kraftfluss hergestellt. Anschließend versetzt der Antrieb die im Prüfraum befindliche antriebsseitige Kugel in eine rotierende Bewegung. Bedingt durch die aufgebrachte Last und die Relativbewegung kommt es zu einer Reibungskraft, die über einen Hebelarm an einem Kraftsensor gemessen wird. Die Relativdrehzahl bleibt während der Versuche konstant und kann auf (1 oder 10) min-1 eingestellt werden. Die geringen Differenzdrehzahlen reduzieren den Einfluss der Eigenerwärmung im Reibkontakt maßgebend. Um das tribologische Verhalten des Schmierstoffes in Abhängigkeit von unterschiedlichen Temperaturen zu bestimmen, wird der Prüfraum durch eine Boden- und eine Ringheizung temperiert. Der Wärmetransport erfolgt hierbei über Wärmeübertragungs-Öl, welches räumlich vom Prüföl getrennt ist. Die Temperaturmessung im System wird durch eine integrierte Temperaturmessung überwacht und kann durch beide Heizquellen unabhängig voneinander geregelt werden. Auf diese Weise gewährleistet das so entstehende Heizbad während der Versuche konstante thermische Bedingungen.

Bild 2: Technischer Aufbau des Thermotribometers TTM03* Die Temperaturmessung im Prüföl erfolgt hierbei über ein Thermoelement, dessen Funktionsweise in umfangreichen Untersuchungen validiert wurde3. Zusammenfassend ergaben diese Untersuchungen, dass sich der verwendete Versuchsaufbau und

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Versuchsablauf durch die oben genannten Versuchsbedingungen auszeichnet und sich somit für die Untersuchung des Schmierstoffeinflusses auf das tribologische Verhalten der Prüfpaarung eignet. Aufbauend auf die einschlägigen Vorversuche wurde auch der in den vorliegenden Untersuchungen verwendete Versuchsablauf konzipiert (Bild 3). Untersuchungsgegenstand war in diesen Versuchen ein Getriebeöl, welches in einem Bereich von (25…290) °C untersucht wurde. Die Auswertung der Versuche erfolgte unter Berücksichtigung von drei repräsentativen Messreihen. In jeder Versuchsreihe kam eine neue Kugelpaarung und eine ungenutztes Versuchsöl zur Anwendung, wobei die Relativdrehzahl auf n= 1 min-1 eingestellt wurde. Die Steigerung der Temperatur erfolgte in Stufen von 30 K. Somit ergaben sich unter Berücksichtigung dieses Versuchskonzeptes nStufe= 10 Temperaturstufen. Um weitere Informationen über die Eigenschaften des Öles zu gewinnen, wurde dies außerdem mittels pyknometrischer Dichtebestimmungen und Untersuchungen zum Viskositäts-Temperatur-Verhalten durch das Höppler-Kugelfallviskosimeter klassifiziert. Beide Verfahren sind vom Deutschen Institut für Normung standardisiert und werden daher nicht näher beschrieben. Weiterhin umfasste das Versuchsschema auch Untersuchungen zur Bestimmung der Reibungseigenschaften der Lamellenreibbeläge als komplettes tribologisches System in einem speziell auf die Reibpaarung angepassten Tribometer TRM 1000. Als Parameter dienten in diesen Versuchen die Differenzdrehzahl und die Temperatur, wobei die Lamellenreibbeläge einer gleichbleibenden Flächenpressung von p= 1 N/mm² ausgesetzt waren. Diese Betriebsbedingungen liegen bei geschlossener Kupplung vor und sind bisher selten untersucht4.

Bild 3: Versuchsschema in den experimentellen Untersuchungen mit dem Thermotribometer TTM03* 4

Bäse, M.; Winkelmann, u., Deters, L.: Optimierung ölgeschmierter Lamellenreibbeläge durch Anwendung innovativer Fertigungstechnologien. GfT Tagungsband - Tribologie-Fachtagung, Göttingen, 2013

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Experimentelle Ergebnisse und Diskussion

Die Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen stellen wichtige Erkenntnisse dar, welche im Folgenden näher diskutiert werden sollen. Zunächst wird hierzu die Auswertung zum zeitlichen Verhalten der Reibungszahl und dem temperaturabhängigen Verhalten der Reibungszahl betrachtet (Bild 4). Nach einer kurzen Einlaufzeit, nimmt die Reibungszahl im Verlauf der Versuche einen überaus konstanten Wert in Abhängigkeit von der Versuchsdauer ein. Die Höhe der Reibungszahl ist in Abhängigkeit von der eingestellten Versuchstemperatur unterschiedlich und nimmt Werte von 0,1 bis 0,12 (Df= 0,01) an. Ein weiteres Ergebnis der ausgewerteten Versuche ist in Bild 5 zusammengefasst, in dem das Reibungsverhalten des untersuchten Schmieröls in Abhängigkeit von der Temperatur und unter Berücksichtigung der Standardabweichung im geometrischen Mittel dargestellt ist. Es zeigt sich, dass die Reibungszahl bis zu einer Temperatur von 110°C sinkt um anschließend wieder auf ihren ursprünglichen Wert anzusteigen. Die im Getriebe vorliegende maximale Temperatur beläuft sich in der Praxis auf ca. 120°C. Im Getriebe wird im Gegensatz zur Kupplung beispielsweise eine niedrige Reibungszahl angestrebt um dessen Wirkungsgrad nachhaltig im Antriebsstrang zu verbessern. Hieraus lässt sich schließen, dass der Schmierstoff entsprechend den Anforderungen der Getriebeverzahnungen angepasst wurde.

Bild 4: Reibwertkonstanz

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Bild 5: Reibungszahl-Temperatur-Verläufe der untersuchten Schmieröle Neben dieser Erkenntnis können außerdem Rückschlüsse aus den Untersuchungen gezogen werden, in denen das Reibungsverhalten der ölgeschmierten Lamellenreibpaarung in einem Tribometer TRM 1000 bei unterschiedlichen Temperaturen und Differenzdrehzahlen untersucht wurde. So zeigt Bild 6 eindeutig, dass die Differenz der bei den unterschiedlichen Temperaturen gemessenen Reibungszahl über dem gesamten Drehzahlspektrum einen konstanten Wert von Df= 0,01 annimmt. Der Abfall der Reibungszahl im tribologischen System „ölgeschmierte Lamellenreibbeläge“ wird somit in Bezug zu den im Bild 5 gezeigten Ergebnissen auf die temperaturbedingte Änderung der Eigenschaften des Schmierstoffes zurückgeführt.

Bild 6: Reibungsverhalten der ölgeschmierten Lamellenreibpaarung=f (Differenzdrehzahl, Temperatur)

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4 Zusammenfassung In den vorliegenden Forschungsaktivitäten kam ein für diese Zwecke eigens aufgebautes und modifiziertes Thermotribometer TTM03* für experimentelle Untersuchungen an einem Getriebeöl zur Anwendung. Das Getriebeöl wird in konventionellen Getrieben eingesetzt und gleichzeitig auch zur Kühlung der im Getriebe befindlichen Schaltkupplung genutzt. Aufgrund der verwendeten Versuchstechnik konnte das Getriebeöl hierbei in seinem Reibungsverhalten charakterisiert werden. Diese Ergebnisse erlauben außerdem auf das erhebliche Potential zur energetischen Optimierung der ölgeschmierten Kupplung hinzuweisen. Hiernach wird ein separater, vom Getriebe unabhängiger Schmierstoffkreislauf empfohlen, der auf die speziellen Anforderungen einer Kupplung ausgelegt ist. Auf diese Weise wäre es möglich erhebliche Verbesserungen in den einzelnen Betriebszuständen „Leerlauf“, „Schaltvorgang“ und „Kupplungszustand“ der Kupplung zu erzielen. Ferner sollte zur Funktionsoptimierung jedes einzelne Element des betrachteten tribologischen Systems unter Berücksichtigung des Beanspruchungskollektives analysiert werden. Dies betrifft z.  B. auch die zielgerichtete, konstruktive Gestaltung der jeweiligen Anschlusselemente.

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Simulation und Virtualisierung mobiler Endgeräte André Nitze Fachbereich Wirtschaft Fachhochschule Brandenburg Magdeburger Str. 50 14770 Brandenburg an der Havel [email protected] Abstract: Mobile Geräte sind immer häufiger die Schnittstelle zwischen Nutzern und Anwendungssystemen. In der Entwicklung mobiler Applikationen („Apps“) mangelt es jedoch noch in vielen Bereichen des Softwarelebenszyklus an einheitlichen Standards. So fehlt es zum Beispiel an verlässlichen Emulatoren zum schnellen Entwickeln und Testen der Software auf verschiedenen Gerätetypen. Die Zahl der möglichen Konfigurationen verbietet das physische Vorhalten der Geräte. Eine wirtschaftliche Bereitstellung ist daher nur über Simulationen und Virtualisierung möglich. In diesem Beitrag werden die vorhandenen Ansätze zur Simulation und Virtualisierung mobiler Endgeräte im Rahmen professioneller Testinfrastrukturen untersucht und auf die Probleme lokaler Bereitstellung und die dabei auf die derzeitigen Möglichkeiten Cloud-basierter Bereitstellung von Test-Diensten und deren Eignung für unterschiedliche Testformen eingegangen.

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Einleitung

Simulation beschreibt die Imitation eines Systems über einen Zeitraum (vgl. [J. 01]). Emulation ist eine Form der Simulation, die häufig im Zusammenhang mit Computertechnik untersucht wird. Emulatoren ermöglichen das komfortable und schnelle Entwickeln und Warten von Software auf Geräten, die aus unterschiedlichen Gründen nicht real vorgehalten werden können (vgl. [Mag04]). Die Ausführungsumgebung des echten Gerätes wird bei der Emulation unter Einbeziehung aller Umgebungsvariablen möglichst realistisch simuliert. Die Betriebsparameter sind also weitgehend konfigurierbar, was eine Bedingung für realitätsnahes Testen ist. Nicht nur der Entwicklung, sondern vor allem der Qualitätssicherung fehlt es im mobilen Bereich an Werkzeugen (vgl. [Sog13]). Der hohe Marktdruck verstärkt die Problematik, sodass das automatisierte Testen von Apps auf mehreren Geräten eine drängende Herausforderung darstellt. Die wissenschaftliche Literatur beschäftigte sich bisher nur wenig mit diesem Themengebiet. Neben einem rudimentären Cloud-basierten Testsystem für mobile Applikationen, welches mobile Endgeräte an verschiedenen Standorten zusammenfasst und für Tests zugänglich macht [HG12] und den allgemeinen Herausforderungen mobiler Geräte im Test-Kontext und deren Implikationen für das Testen [KK13] existieren kaum relevante Untersuchungen.

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Herausforderungen beim Testen mobiler Applikationen

Die Herausforderung besteht zunächst in der realistischen Abbildung von Testumgebungen mit entsprechenden Parametern. Dazu zählen Netzwerkbandbreite, CPU- und Speicherkapazität, Ladezustand oder Standort. Weiterhin müssen mehrere mobile Betriebssysteme unterstützt werden, um auch plattformübergreifende Apps oder mehrere native Apps mit den gleichen Werkzeugen testen zu können. Der dritte wesentliche Aspekt ist die Möglichkeit des vollständig automatisierten Aufrufs und der Administration der entsprechenden Geräte. So müssen neue Versionen der Applikation schnell übertragen und getestet werden können. Die besonderen Herausforderungen im Testen mobiler Applikationen ergeben sich aus der Vielfalt der Geräte. Die Vielfalt ergibt sich aus der Konfiguration zumindest der wesentlichen Faktoren Betriebssystem (Hersteller, Programmiersprache, Version, Browser), Ausgabebildschirm (Größe, Auflösung, Seitenverhältnis, Ausrichtung) und Hardware-Ausstattung (Sensoren, Speicherkapazität, Rechenleistung, Batteriekapazität) Es wurden folgende Aspekte identifiziert (vgl. [MDFE12, KK13]), die als besondere Herausforderungen im Testen mobiler Applikationen erachtet werden: • Zuverlässigkeit, Sicherheit und Brandbreite der Netzwerkanbindung, • kontextabhängige Funktionalitäten, • die Benutzungsschnittstelle und • limitierte Geräte-Ressourcen (s. o. „Hardware-Ausstattung“) Weiterhin spielen die Integrierbarkeit von Testumgebungen und -ansätzen eine Rolle. Zudem müssen Tests weitgehend automatisiert ablaufen können, um die Qualität in einem kontinuierlichen Entwicklungsvorgehen sicherstellen zu können.

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Simulations- und Virtualisierungsansätze

3.1 Lokale Ansätze Der lokale Ansatz beinhaltet die direkte Verbindung eines oder mehrerer mobiler End- geräte mit dem Entwicklungsgerät. Die hohe Bandbreite lässt dabei ein schnelles paralleles Testen zu. Erhöht man jedoch die Komplexität dieses Aufbaus, indem man z. B. ein weiteres zu unterstützendes Betriebssystem und dafür weitere Geräte hinzufügt, ergibt sich eine Reihe von Problemen, deren Lösung auf diesem Weg nicht wirtschaftlich sein kann. Daher sind in allen gängigen Entwicklungsumgebungen Emulatoren enthalten, die das Verhalten der jeweiligen Zielplattformen in Form von virtuellen Geräten weitgehend nachahmen. Der bei Android mitgelieferte Emulator läuft häufig nicht schnell genug für ein ausreichendes Testen der mobilen Anwendungen. Obwohl die Geschwindigkeit des Emulators etwas gesteigert werden konnte, fehlen dennoch Möglichkeiten, wichtige Test-Parameter festzulegen.

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Der Windows Phone Emulator bietet zumindest schon die Möglichkeit, den Standort des Geräts einzustellen und physische Bewegungen zu simulieren, um damit auch die Sensoren testen zu können. iOS bietet ebenfalls einen Emulator, der Schütteln und Rotation des Geräts, Bildausgabemodi und Situationen mit niedriger Speicherkapazität vortäuschen kann. App-Interaktionen mit einem Finger (Wischen, Tippen und Ziehen) können auf allen Plattformen mit der Maus ausgeführt werden.

3.2 Cloud-basierte Ansätze Gemäß Everything-as-a-Service-Paradigma können Test-Dienstleistungen auch aus der Cloud bezogen werden. Testing-as-a-Service (TaaS)-Angebote eignen sich dabei vor allem für einfach zu automatisierende Dienste wie Last- und Perfomance-, Regressionsund Sicherheitstests, aber auch zum Monitoring. Die Vorgehensweise besteht darin, dass Applikationspakete und Testskripte hochgeladen werden, die Tests ausgeführt und die Ergebnisse entweder direkt oder über einen Integrationsserver zurückgemeldet werden. Für das funktionale Testen stehen fast immer auch Scripting-Engines zur Verfügung, die das Erstellen von Testskripten und Konfigurieren der Testparameter ermöglichen. Ebenso besteht häufig der Zugriff auf echte Geräte und auch für Continuous Integration existieren in vielen Fällen Schnittstellen. Die Cloud-Werkzeuge können durch verschiedene technologische Ansätze (u.a. Objekt-basiert) eine sehr große Bandbreite von App-Typen verarbeiten. Last- und Performance-Tests sind ein naheliegender Anwendungsfall für Cloud-Dienste, da die notwendigen Lastgeneratoren ad-hoc und von weltweit verteilten Standorten aufgerufen werden und entsprechende Leistungsmetriken erfasst werden können. Die Leistungsfähigkeit lässt sich häufig schon auf Netzwerkprotokollebene einschätzen. In Verbindung mit Performance-Tests werden für das Monitoring von Apps die üblichen Metriken (Speicherbedarf, CPU-Auslastung etc.) gemessen. Einige Anbieter bieten auch die Echtzeit-Analyse der App-Nutzung an. Funktionale Tests können mit Hilfe proprietärer oder frei verfügbarer Skript-Sprachen erstellt werden. Automatisierung ist eine wichtige Bedingung für die Qualitätssicherung in der Softwareentwicklung. Nicht nur im mobilen Bereich wird dafür Behaviour-driven Design (BDD) eingesetzt, welches durch die natürlichsprachliche Formulierung von Testfällen vor allem die Zusammenarbeit von Entwicklern und Fachexperten verbessern soll. Der Überprüfung der Sicherheit mobiler Anwendungen kommen bisher nur wenige Anbieter in Form von Cloud-Angeboten nach. Die Verfügbarkeit von Informationen ist sicherlich über die Lasttests, z. B. mit Fuzzing oder Denial-of-Service-Angriffen, zu bestimmen. Aber Vertraulichkeit und Integrität können bisher scheinbar nur über manuelle Prüfung der Architektur und der konkreten Applikationen sichergestellt werden.

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Ergebnis

Physische Emulatoren, wie sie mit den Entwicklungsumgebungen ausgeliefert werden, können nur einen ersten Eindruck der Applikation vermitteln, aber keine generelle

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Aussage über die Nutzungserfahrung in allen möglichen Geräte- und Netzwerkkonfigurationen machen. Cloud-Angebote sind eine Möglichkeit, hochwertige Testdienste zu nutzen, die sich in der Qualität und Funktionalität lokal kaum lohnen würden. Die Skalierbarkeit und Flexibilität der vorgestellten Cloud-Dienste ermöglicht das wirtschaftliche Testen auf vielen verschiedenen Plattformen. Die Möglichkeit, private Test-Clouds zu installieren, dürfte vor allem für Teams in größeren Unternehmen interessant sein. Insgesamt ist es vorstellbar, dass lokales Testen mit Hilfe von virtuellen Maschinen insbesondere für Einzelentwickler oder kleine Teams in absehbarer Zukunft durch Cloud-Dienste ersetzt werden kann, da diese über den Browser in kürzester Zeit beliebige Testsituationen zugänglich machen können. Für Tester, vor allem für solche mit umfangreichen und/oder wartungsintensiven Projekten, können die vorgestellten Cloud-basierten Testvarianten ebenfalls eine lohnende Investition sein, um ein konsistentes und fehlerfreies Nutzungserlebnis auf allen Zielplattformen sicherzustellen. Dafür bleibt zu evaluieren, wie nahtlos die Cloud-Dienste in die lokalen Testinfrastrukturen eingebunden werden können und welche Funktionen wirtschaftlich sinnvoll und qualitativ angemessen bereitgestellt werden können.

Literatur [HG12] J.-F. Huang und Y.-Z. Gong. Remote mobile test system: a mobile phone cloud for application testing. In Cloud Computing Technology and Science (CloudCom), 2012 IEEE 4th International Conference on, Seiten 1–4, 2012. [J. 01] J. Banks, J. Carson, B. Nelson, D. Nicol. Discrete-Event System Simulation. Prentice Hall, 2001. [KK13] B. Kirubakaran und V. Karthikeyani. Mobile application testing #x2014; Challenges and solution approach through automation. In Pattern Recognition, Informatics and Mobile Engineering (PRIME), 2013 International Conference on, Seiten 79–84, 2013. [Mag04] Peter Magnusson. Full System Simulation: Software Development’s Missing Link. 2004. [MDFE12] H. Muccini, A. Di Francesco und P. Esposito. Software testing of mobile applications: Challenges and future research directions. In Automation of Software Test (AST), 2012 7th International Workshop on, Seiten 29–35, 2012. [Sog13] Sogeti, Capgemini, HP. World Quality Report 2013-2014, 2013.

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Abwasserreinigung mittels bewachsener Bodenfilter im tropischen Raum B.Eng. Joris Herrmann, Dipl.-Ing. Kirstin Neumann FB Wasser- und Kreislaufwirtschaft HS Magdeburg-Stendal Breitscheidstr. 2 39114 Magdeburg [email protected] [email protected] Abstract: Kuba kämpft abgesehen von wirtschaftlichen Schwierigkeiten mit einer maroden und oft veralteten Infrastruktur, in der die Wasser- und Abwassersysteme die größten Defizite aufweisen. Wesentliche Grundlage sind, die durch die UNO definierten Grundrechte z.B. auf sauberes Wasser welches eng mit der Gesundheit der Bevölkerung verbunden ist. Am FB WKW wurde gemeinsam mit der Universität Holguin untersucht, in welchem Umfang Pflanzenkläranlagen in tropischen Gebieten zur Reinigung von Abwasser eingesetzt und wie diese unter den kubanischen Randbedingungen aufgebaut und genutzt werden können. Dies wurde an einem konkreten Beispiel – der Ortslage San Andres in der Provinz Holguin – betrachtet.

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Ausgangssituation

Die Randbedingungen in Kuba sind durch klimatische Bedingungen und die wirtschaftliche Lage definiert. Die im karibischen Meer liegende Insel Kuba weist warme und konstante Witterungsverhältnisse auf. Die Jahresmitteltemperatur liegt bei 25,2 °C; in den Küstengebieten höher als im Landesinneren. Die durchschnittliche Luftfeuchtigkeit beträgt 74–80 %. Es gibt Trocken- und Regenzeiten (Mai-August) und abhängig von der Lage Niederschlagsschwankungen (Gebirgsnordseite bis zu 3000-5000mm, Regenschatten 300mm) Die Region um San Andres ist bioklimatisch nach Typ GAUSSEN4 c Th (trockenes Klima mit 3–4 Wintermonaten pro Jahr) anzugeben./1/ Sie liegt in einer Zone wiederkehrender Hurrikans mit enormer Zerstörungskraft und extrem hohen Abflüssen, welche zu Überflutungen führen. In den Trockenzeiten treten hohe Verdunstungsraten auf (Evapotranspiration von 1600 mm). Derzeit findet nur eine Zusammenarbeit zwischen zahlreichen deutschen und internationalen Nichtregierungsorganisationen und kubanischen Partnern statt. Es entstanden viele Projekte im Bereich des Umweltschutzes. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen Kubas, sind für die gesamte Planung, den Bau und Betrieb des bewachsenen Bodenfilters der Nutzen des in geringem Maße

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vorliegenden einheimischen Know Hows sowie das Geringhalten der Kosten, insbesondere der Bedarf an Devisen, als Hauptrandbedingungen festgelegt.

2 Planung, Bau und Betrieb einer Versuchspflanzenkläranlage (PKA) Das 6000-Einwohner-Dorf San Andres befindet sich in der Provinz Las Tunas im südöstlichen Teil Kubas. Es wurde ein Teilgebiet mit 4 Häusern und 10 Einwohnern für den Anschluss an die Pflanzenkläranlage, die auch als Versuchsanlage für die Universität Holguin dienen soll, gewählt. Die Platzkomponente stellt für die Standortwahl ein wesentliches Kriterium dar, da bewachsene Bodenfilter einen hohen spezifischen Platzbedarf (>5 m2/ EW lt. DWA-A262) haben. Das Vorhandensein einer gut zu erreichenden (ohne Kreuzen von Straßen) Vorflut ist ebenfalls Bedingung. Die PKA wird für den Anschluss der in einer Linie direkt an einer Straße und neben einem freien Grundstück liegenden Häuser konzipiert. Für das Vorhaben steht eine Grundstücksfläche von 716 m2 zur Verfügung (Abb. 1). Diese ist ausreichend für die Errichtung der notwendigen Anlagenteile. Der nutzbare Platz für das Pflanzenbeet beträgt 20 m ∙ 14 m = 280m2 (=28m²/EW), was eine zukünftige Erweiterung der angeschlossenen Einwohnerzahl ermöglicht.

Abbildung 1: Fläche für PKA Die Hauptbestandteile der Anlage sind die mechanische Vorklärung und das Pflanzenbeet. Die ebenfalls zugehörige Abwasserableitung der angeschlossenen Grundstücke wird hier nicht weiter betrachtet. Die mechanische Vorreinigung soll mittels Rottevorklärung (Abb. 2) realisiert werden. Die Feststoffe im Abwasser werden durch Filtration abgetrennt und über das

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Rottegut entfernt. 2 Rotteschächte werden abwechselnd beschickt, um Belastungsund Ruhephasen realisieren zu können. Für eine ausreichende Durchlüftung, um anaerobe Prozesse und Geruchsentwicklungen zu vermeiden, sind Schlitze in der Ablauf-konstruktion und in den Seitenwänden sowie Drainageschichtungen vorgesehen. Für tropische Räume günstige Filtermaterialien, die in Kuba verfügbar sind, werden Versuche durchgeführt. Dazu zählen Schnittgut der großflächig vorhandenen Grünflächen oder Abfallprodukte des Zuckerrohres. Die Beimengung von Holzhäckseln erfolgt gegebenenfalls. Ein regelmäßiges Aufbringen von neuem Strukturmaterial ist wegen der Verbesserung der Belüftung und Entwässerung sowie Verbesserung des C/N-Verhältnisses wichtiger Bestandteil dieser Art der Vorklärung. Die Beschickungszeiten liegen zwischen 6 und 12 Monaten. Während der folgenden Ruhezeit wird das Material 3–6 Monaten zu 50% seines Volumens reduziert. Durch eine Nachkompostierung und weiteren Hygienisierung wird der Prozess abgeschlossen eine Volumenreduzierung des Rotteguts auf ca. 10% erreicht. Dieses kann einer landwirtschaftlich genutzt werden.

Abbildung 2: Systemabbildung Rottegrube [8, Geller und Höner, 2003] Rottevorklärungen erreichen eine Reduzierung von 52 g CSB, 23gBSB5 und 5gNH4-N je EW und Tag. Im tropischen Raum ist aufgrund der Temperaturabhängigkeit der Biologie von noch höheren Abbauraten auszugehen. Es ist mit einem Anfall von 0,2m³/ EW*d mit 20L Rottegut pro Jahr und einer 18-monatigen Räumung zu rechnen, wobei das Rottegut noch ca. ein halbes Jahr nachkompostiert wird. Daraus ableitend wurde die Rottevorklärung wie folgt konzipiert: • Kammergröße von 1 m3 pro Kammer, insgesamt 2 Kammern, quadratisch • Abdichtung Rotteschacht nach außen gegen den Boden • Korrosionsschutz an der Innenseite als Voraussetzung für einen langjährigen • Mögliche Materialien: Glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK), Polyesterharze, Isolytalsäureharze und Vinylesterharze.

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Die biologische Reinigung erfolgt über das Pflanzenbeet, ausgebildet als Horizontalfilter, damit die Beschickung im Freigefälle erfolgen kann, wofür der vorhandene Höhenunterschied von 2m ausgenutzt wird. Durch den Standort ist der Bodenfilter gegen äußere Einflüsse von Fremdwasser geschützt. Es ist ein Freibord von 0,2m vorgesehen. Sämtliche Rohrleitungen, sowohl im Zulauf zur Anlage als auch zur Ableitung in das Gewässer, werden fachgerecht unterirdisch verlegt. Frostfreiheit ist durch das Klima gegeben. Das Pflanzenbeet wird mit einer PE-Folie (mind. 1mm stark, UV-beständig) auf gut verdichtetem Untergrund abgedichtet. Die maximale Wurzeltiefe der vorgesehenen Rohrkolbenpflanzen beträgt 50cm. Um ein Durchdringen der Folie mit Wurzelgewebe zu vermeiden, ist eine Sicherheit bei der Auslegung der Filterschicht von 0,25m eingeplant. Die Filterschicht des bepflanzten Bodenfilters besteht aus einer homogenen Sandschicht mit einem d10 je nach Verfügbarkeit zwischen 0,2 und 0,4mm und einem Ungleichförmigkeitsgrad von d60/d10 < 5. Die Verteiler- und Sammelschicht wird mit einem Korndurchmesser von 8 bis 16mm errichtet. Die Verteilerschicht wird keilförmig von anfangs 50cm an der Oberfläche des Filters abfallend nach unten auf 20cm ausgeführt. Es ergibt sich ein Durchlässigkeitsbeiwert für die Filterschicht von kf = 10-4, welcher in die Berechnung zur Beetgröße einfließt. Die Einhaltung der Bodenkennwerte ist am Ende der Baumaßnahme nachzuweisen. Nach kubanischer Norm [2] wird bei einer Gebietsgröße von ca. 6000 EW von einem Abwasseranfall von 180 l/(EW·d) ausgegangen. Der BSB5 liegt bei 300mg/l im Zulauf der Anlage und bei 1/3 Reinigungsleistung der Vorklärung 200mg/l im Zulauf Pflanzenbeet. Der kf-Wert beträgt bei frisch eingebautem Filtermaterial 5*10-4m/s. Bei laufendem Betrieb reduziert sich dieser auf 5*10-5m/s. Als optimale Fließlänge gelten Werte zwischen 3 und 6 m. Damit ergeben sich für den Bodenfilter: T=0,75m und L=5m. Der Anlagenquerschnitt errechnet sich aus der Gleichung nach Darcy. Der Einlaufquerschnitt beträgt somit 2,78m2. Es ergibt sich eine Fläche des bepflanzten Bodenfilters von 18,50m2. (nach DWA-A 262 bezogen auf den Beckenboden) Geometrie Berechnungen zum Aufbau des kompletten bepflanzten Bodenfilters erfolgen im Anschluss. Mit Hilfe der in der kubanischen Norm vorgegebenen Ablaufwerte wurde das in Abbildung 3 dargestellte Pflanzenbeet konzipiert. Die Bepflanzung richtet sich nach der Verfügbarkeit und unterscheidet sich zwischen Rhizome, Ballen und Setzlinge. Die Planung sieht eine Bepflanzung mit Rohrkolben vor, da dies eine der wenigen in Kuba vorhanden für PKA geeignete Pflanzen sind.

Abbildung 3: Technische Zeichnung Pflanzenkläranlage

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Fazit

Bedingt durch wirtschaftliche und klimatische Randbedingungen Kubas ist es sehr schwer einfache, kostengünstige und betriebstechnisch simple Abwasserreinigungs-anlagen zu errichten. Hinzu kommen fehlende Abwasserableitungssysteme, die Grundvoraussetzung für Abwasserreinigungsanlagen sind. Für das konkrete Beispiel San Andres wurde eine einfache PKA konzipiert, die sich bei der Wahl von Materialien und peripherer Anlagenteile an den kubanischen Möglichkeiten orientiert. Der Bau dieser Anlage, die auch für Forschungszwecke der Universität Holguin genutzt werden soll, erfolgt, sobald finanzielle Mittel eingeworben und verfügbar sind. Generell kann festgehalten werden, dass PKA`s eine gute Möglichkeit der Abwasserreinigung in Schwellen- und Entwicklungsländern im tropischen Raum sein können.

Literaturverzeichnis [1] Geller, Gunther; Höner, Gunhild: Anwenderhandbuch Pflanzenkläranlagen. Praktisches Qualitätsmanagement bei Planung, Bau und Betrieb; mit 16 Tabellen. Berlin Heidelberg [u.a.]: Springer. 2003 [2] NC 27: Vertimiento de Aguas Residuales a las Aguas Terestres y al Alcantarillado. Especificaciones, 1999

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Einfluss von Wasserwerksschlamm auf die Entwässerbarkeit von Klärschlamm Johannes Walkhoff (B. Eng.) Fachbereich Wasser- und Kreislaufwirtschaft Hochschule Magdeburg-Stendal Breitscheidstraße 2 39108 Magdeburg [email protected] Abstract: Untersuchungen zur Entwässerbarkeit des Klärschlammes der Kläranlage Magdeburg/Gerwisch unter Einfluss von Wasserwerksschlamm der Trinkwasseraufbereitungsanlage Colbitz als Fällungs-mittel bei der Phosphorelimination.

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Klärschlammverordnung

Durch die Änderungen am Kreislaufwirtschaftsgesetz im Jahre 2012 wurden auch die Nachhaltigkeit und Verwertung von Klärschlamm für Abwasserreinigungsanlagen neu bestimmt. Dabei wurden in der Klärschlammverordnung die Grenzwerte für die Weiterverwendung von Klärschlamm gesetzlich angezogen. Dies hat zur Folge, dass jede Abwasseraufbereitungsanlage den Klärschlamm je nach Entwässerungsgrad und Zusammensetzung nicht mehr ohne spezielle Aufbereitung als Düngemittel in der Landwirtschaft, als Bausubstanz im Land- und Straßenbau oder zur Energiegewinnung mittels thermischer Verfahren verarbeiten kann. Somit muss eine intensivere Nachbereitung des Klärschlammes erfolgen, um die Entsorgungs- und Transportwege gering zu halten, wobei der Aufwand und die Kosten für diese Aufbereitung so niedrig wie möglich zu gestalten sind. Dazu wurden Untersuchungen durchgeführt, wie die Entwässerbarkeit des Klärschlammes ohne großen zusätzlichen Aufwand verbessert werden kann. Die Abwasserreinigungsanlage Magdeburg/Gerwisch benutzt seit einigen Jahren Wasserwerksschlamm der Trinkwasseraufbereitungsanlage Colbitz, um die Fällung von Phosphor aus dem Abwasser kostengünstiger durchzuführen. Deshalb wurden bei den Untersuchungen das jeweilige Fällungsmittel Eisen(III)-Chlorid und der Wasserwerksschlamm betrachtet.

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Kläranlage Magdeburg/Gerwisch

Die Abwasseraufbereitungsanlage Magdeburg/Gerwisch reinigt das ankommende Mischwasser von Magdeburg, der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts, sowie der umliegenden Ortschaften. Dabei erfolgt die Phosphorelimination mittels

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einer Simultanfällung in Kombination mit einer biologischen Abwasserreinigung. Je nach Bedarf wird das Fällungsmittel in den Zulauf zur Belebungsanlage, in den Rück-laufschlamm oder direkt in das Belebungsbecken hinein dosiert. Zusätzlich sind ausreichende Belüftung und gute Durchmischung vorhanden, um eine vollständige Fällungsreaktion zu erreichen.

2.1 Laboruntersuchungen Für alle Untersuchungen wurde am Versuchstag frischer unbelasteter Faulschlamm aus der Abwasserreinigungsanlage Magdeburg/Gerwisch entnommen. Dieser enthielt keinerlei Fällungsmittel. Im Labor wurden für die Versuche die jeweiligen Ansätze angefertigt. Diese sind nach den aktuellen Dosiergrößen der Abwasserreinigungsanlage Magdeburg/ Gerwisch erstellt worden. Zudem wurden mittels einer Laborzentrifuge die Dekanter der Abwasserreinigungsanlage nachempfunden. Bei der Untersuchung wurden die jeweiligen Schlämme in einer Probengröße von 100 Milliliter 20 Minuten als auch 10 und 20 Minuten bei einer Drehzahl von 3540 Umdrehungen je Minute zentrifugiert. Vom sedimentierten Zentrifugenrückstand wurden der Trockensubstanzgehalt und der Glühverlust bestimmt. Die filtrierten Zentrifugate wurden mittels Küvettentests der Firma Hach-Lange chemisch analysiert. Es wurden der Phosphat-, Eisen-, Chlorid-, Ammonium- und CSB-Gehalt zuzüglich der Temperatur, Leitfähigkeit und des pH-Wertes gemessen.

2.2 Untersuchungsergebnisse Es ist festgestellt worden, dass sich der Faulschlamm mit Wasserwerksschlamm als Fällungsmittel in der Entwässerung anders verhält als der Faulschlamm mit dem Fällungsmittel Eisen(III)-Chlorid. Dieses Verhalten äußert sich dahingehend, dass die Trockensubstanz beim Faulschlamm mit Wasserwerksschlamm geringer ist als beim Faulschlamm mit Eisen(III)-Chlorid. Zudem wird beim Entwässern von Faulschlamm mit Eisen(III)-Chlorid ein höherer Glührückstand erreicht und somit werden mehr mineralische Feststoffe im Zentrifugenrückstand bei einer Entwässerung von 10 Minuten pro 100 Milliliter gebunden als beim Einsatz von Wasserwerksschlamm. Aber wenn eine Entwässerung von 20 Minuten pro 100 Milliliter durchgeführt wird, scheidet der Faulschlamm mit Wasserwerksschlamm mehr mineralische Feststoffe ab als der Faulschlamm mit Eisen(III)-Chlorid, was anhand der Glühverluste zu erkennen ist. Dennoch hat der Faulschlamm mit Eisen(III)-Chlorid durchschnittlich einen höheren Abscheidegrad als der Faulschlamm mit Wasserwerks- schlamm. Aber beim Einsatz von Eisen(III)-Chlorid steigt die Chloridkonzentration im Zentrat bzw. Zentrifugationswasser. Leider ist ein stark überhöhter Chloridwert aufgetreten, da rund 20 Tage (Aufenthaltszeit im Faulbehälter) zuvor in Magdeburg und Umgebung starker Niederschlag in Form von Schnee auftrat. Dies hatte zur Folge, dass vermehrt Natriumchlorid im Straßenverkehr zum Einsatz kam und dieses durch Schneeschmelze in die Kanalisation bis hin in die Abwasserreinigungsanlage Magdeburg/Gerwisch eingeleitet wurde. Die gelösten Chloridionen können mit Wasserstoffionen zu Salzsäure

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reagieren, wodurch der pH-Wert leicht absinken kann. Diese Absenkung des pH-Wertes ist in den Messwerten sehr gut erkennbar. Der chemische Sauerstoffbedarf für die organischen Verbindungen liegt beim Einsatz von Eisen(III)-Chlorid am geringsten vor und ist von der Entwässerungsdauer direkt proportional abhängig. Beim Faulschlamm mit Wasserwerksschlamm ist die gleiche Proportionalität zum CSB gegeben. Natürlich ist die Effizienz des Wasserwerksschlammes für die Phosphorelimination nicht so hoch wie die des Fällungsmittels Eisen(III)-Chlorid, weswegen der Wasserwerksschlamm im Faulschlamm in seiner aktuellen Zusammensetzung mit einer Eliminationsrate von etwa 7 bis 20 % nicht die des Eisen(III)-Chlorids im Faulschlamm von bis zu 80 % (gemessen im Versuch) ersetzen kann. Die jeweilige Eliminationsrate ist bei den Messergebnissen indirekt proportional zur Entwässerungsdauer.

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Zusammenfassung

Aufgrund der nicht so hohen Phosphorelimination beim Einsatz von Wasserwerksschlamm bleibt eine hohe Konzentration an Phosphat im Zentratwasser zurück, wodurch die Kläranlage über die Kaskadenbelebungsanlage rückbelastet wird. Dies geschieht nicht bzw. kaum, wenn die Simultanfällung auf der Anlage nur mit Eisen(III)-Chlorid als Fällungsmittel betrieben wird. Dieses Fällungsmittel besitzt die bessere Eliminierungsrate von beiden. Dabei zeigt die Tendenz der Messergebnisse, dass durch eine verkürzte Entwässerung weniger gelöstes Phosphat vorliegt. Das bedeutet, dass bei einer längeren Entwässerung das schon gebundene Phosphat in das Zentrat rückgelöst wird. Die Entwässerung ist für den Trockenrückstand und die organische Trockensubstanz effektiv und in der Schlammbehandlung angebracht. Durch die Entwässerung erhöht sich die organische Trockensubstanz im Faulschlamm, wodurch mehr organische als mineralische Verbindungen vorliegen. Dennoch ist aus den Messreihen für die Abwasserreinigungsanlage ersichtlich, dass beim Fällungsmittel Eisen(III)-Chlorid durch- schnittlich mehr mineralische Stoffe (auch Schweb- und Schmutzstoffe) als beim Wasserwerksschlamm ausgefällt werden. Daher sollte die Kläranlage den aufbereiteten Klärschlamm weiterhin auf Neben- und Spurenelemente untersuchen, damit dieser laut Klärschlammverordnung weiterverwendet werden kann. Zudem ist der Abscheidegrad der Dekanter auf der Abwasserreinigungsanlage beim Einsatz von Wasserwerksschlamm nicht so hoch wie bei Eisen(III)-Chlorid. Dadurch müssen die Ablaufparameter genauestens kontrolliert werden und notfalls muss die Entwässerungsdauer mittels des Durchsatzes erhöht werden. Die Eisenkonzentration im Zentratwasser aber auch im Klärschlamm erhöht sich stark, wenn Wasserwerksschlamm als Fällungsmittel verwendet wird. Dabei sollte die Konzentration von Eisen im Klärschlamm nicht den Richtwert überschreiten, weil sonst eine landwirtschaftliche oder landbautechnische Weiterverwendung des Klärschlammes nicht möglich wäre und die Abwasserreinigungsanlage Magdeburg/Gerwisch den Klärschlamm kostenintensiv entsorgen müsste.

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Interessanterweise war während der Versuchsreihen zu erkennen, wie sich Witterungsverhältnisse auf das Abwasser auswirken, nicht nur in Form einer größeren Tagesmenge, sondern auch durch den Anstieg der Chloridkonzentration bei Schneewetter. Das heißt, dass die Abwasserreinigungsanlage im Winter nicht nur auf die verminderte biologische Phosphorfällung achten muss, sondern auch beim Einsatz von Eisen(III)-Chorid als Fällungsmittel auf die Chloridionenkonzentration. Solange die Kosten für eine bessere Entwässerung des Faulschlammes mit Wasserwerksschlamm geringer sind als die Kosten zur Entfernung der MAP-Verunreinigungen bei Nichtnutzung des Wasserwerksschlammes zuzüglich der Kosten für das Fällungsmittel Eisen(III)-Chlorid, ist der zusätzliche Aufwand zur Schlammentwässerung vertretbar. Dennoch kann das Fällungsmittel Eisen(III)-Chlorid nicht vollständig durch den Wasserwerksschlamm bei der jetzigen Zusammensetzung ersetzt werden, da die Eliminationsrate von Eisen(III)-Chlorid am effizientesten ist und der Wasserwerksschlamm nicht einmal die Hälfte des Phosphates ausfällt.

Literaturverzeichnis [Wi12] Wiechmann, D.-I.C.D.: Klärschlammentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Umweltbundesamt, Hrsg.); Dessau, 2012 [AG13] AGM: Technologieschemen Kläranlage Gerwisch (SWM GmbH, Hrsg.); Magdeburg, 2013.

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Verändert sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität im ersten Jahr einer Hämodialyse? Katja Willnat1, Clemens Wand 2, Michael Kraus1 & Gabriele Helga Franke1 1

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Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften Hochschule Magdeburg-Stendal Osterburger Straße 25 39576 Stendal

Gemeinschaftspraxis für Nephrologie und Dialyse Weiße Mauer 52 06217 Merseburg [email protected]

Einleitung: Die Hämodialyse sichert täglich Menschen mit einem terminalen Nierenversagen das Überleben. Gleichzeitig belasten diese chronische Erkrankung und die daraus resultierenden Einschränkungen die Betroffenen enorm. Ziel dieser Studie war daher die Untersuchung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und deren Veränderung im ersten Jahr einer Hämodialyse. Material und Methode: 25 Patienten (m=14, w=11) im Durchschnittsalter von 66 Jahren (±11) bearbeiteten zu jeweils 2 Zeitpunkten (Abstand 6 Monate) das Profil der Lebensqualität chronisch Kranker (PLC) [SBJ96]. Die Durchführung erfolgte in 2 ambulanten Dialyse-Zentren in Halle an der Saale und Merseburg. Das PLC erfasst auf 6 Skalen (I Leistungsvermögen, II Genuss- und Entspannungsfähigkeit, III Positive Stimmung, IV Negative Stimmung, V Kontaktvermögen, VI Zugehörigkeitsgefühl) die somatische, psychische und soziale Ebene der Lebensqualität. Skaliert sind die Antworten von 0-4, ein hoher Wert umschreibt eine hohe Lebensqualität. Die statistische Auswertung umfasste t-Tests sowie varianzanalytische Modelle. Ergebnisse: Die Ergebnisse wurden mit den Mittelwerten der Normstichprobe [LSSB01] gesunder deutscher Testpersonen verglichen. Zu t1 zeigte sich die Lebensqualität der Dialysepatienten signifikant schlechter als die der Normstichprobe (Ausnahme war Skala VI). Zu t2 hingegen konnte kein Unterschied mehr nachgewiesen werden. Der simultane Vergleich der Mittelwerte der sechs Skalen zu beiden Erhebungszeitpunkten (t1; t2) zeigte eine deutliche Erhöhung der Werte zu t2 [F(6,13) = 11,2, p